Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz

Inklusive Sprache in der Sozialen Arbeit

Sprache kann Menschen ausschliessen oder sichtbar machen und Zugehörigkeit fördern. Welche Sprache Fachpersonen der Sozialen Arbeit verwenden hat einen Einfluss darauf, von wem und wie sie gehört werden. Inklusiv zu kommunizieren ist im Umgang und der Verständigung mit Adressat*innen, mit anderen Fachpersonen, Institutionen und Verwaltungen entscheidend und hat zusätzlich auch eine starke Wirkung, um notwendige gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Fachpersonen der Sozialen Arbeit sollen in diesem Sinne also inklusive Sprache verwenden dürfen.

Dieses Grundlagenpapier zeigt auf, was inklusive Sprache ist, warum sie wichtig ist, wie deren Verwendung fachlich begründet werden kann und verweist auf konkrete Empfehlungen, wie inklusive Sprache umgesetzt werden kann.

Die Broschüre kann auch als PDF heruntergeladen werden.

1. Ausgangslage

Im gesellschaftlichen Diskurs zur Verwendung von inklusiver Sprache wird als Gegenargument oft nur über Ästhetik und Umsetzung, aber nicht über den Grund der Verwendung oder die Wirkung inklusiver Sprache gesprochen. «Wer lediglich nach der Praktikabilität oder Ästhetik dieser [sprachlichen] Möglichkeiten fragt, verkennt den Kern des Bemühens: nach einer gerechteren Sprache zu streben, die weniger ausgrenzt und umfassender ist» (Gümüşay, 2022, S. 26). Der Einfluss der Sprache auf das gesellschaftliche Zusammenleben wird schon lange diskutiert und immer wieder auch für politische Kampagnen verwendet. Bürgerliche Parteien haben zum Beispiel das Thema Sprache und Gender als eines ihrer Wahlkampfthemen für die nationalen Wahlen 2023 auserkoren und entsprechend haben sich die Versuche, die Verwendung gendergerechter Sprache einzuschränken, vermehrt. Dies führte noch weiter, so dass nicht nur die Sprachverwendung an sich, sondern generell auch die Auseinandersetzung mit Genderthemen konkreten Anfeindungen ausgesetzt war (1). Es werden immer wieder Vorgaben gemacht, welche Sprache wo verwendet werden muss oder nicht verwendet werden darf. So gab es in den letzten Jahren verschiedene Kantone in der Schweiz, die die Verwendung von gendergerechter Sprache in der Verwaltung untersagten; die Kantone Thurgau und Aargau erliessen beispielsweise 2021 entsprechende Weisungen (2). Auch in weiteren Kantonen gibt es entsprechende Verbote, die teilweise direkte Auswirkungen auf Fachpersonen und Angebote der Sozialen Arbeit haben.

Dieses Grundlagendokument wurde von der Geschäftsstelle von AvenirSocial gemeinsam mit der Fachgruppe LGBTQIA* erarbeitet. Ziel dieses Dokuments ist es, aufzuzeigen, warum es für Fachpersonen grundlegend und Teil des professionellen Handelns ist, eine Sprache verwenden zu können, die von Adressat*innen und Arbeitskolleg*innen gefordert wird und die ihnen das Gefühl gibt, von den Fachpersonen gehört und verstanden zu werden. Die Verwendung inklusiver Sprache kann Grundlage dafür sein, dass Beziehungen zu Adressat*innen und Teammitgliedern überhaupt ermöglicht werden. Aufgrund der Zusammenarbeit mit der Fachgruppe LGBTQIA* beziehen sich viele Beispiele auf die Verwendung gendergerechter Sprache. Es ist uns aber ein Anliegen festzuhalten, dass sich die Inhalte dieses Dokuments auf alle Aspekte diskriminierender Sprachverwendung (zum Beispiel auf Fragen der Barrierefreiheit) übertragen lassen. Deshalb verwenden wir auch den allgemein gehaltenen Begriff der inklusiven Sprache.

Fussnoten

1) Zum Beispiel die Absage eines Gendertags in Stäfa ZH im März 2023 oder der Angriff auf die Dragstorytime-Lesung für Kinder in Zürich im Herbst 2022.
2) Als Beispiel: Kanton Aargau: Richtlinien zum geschlechtergerechten sprachlichen Formulieren in der Verwaltungssprache

2. Warum Fachpersonen inklusive Sprache verwenden sollen

2.1. Inklusive Sprache als Teil professionellen Handelns

Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind durch ihr dreifaches Mandat dazu verpflichtet, Veränderungen zum Wohle der Adressat*innen, Arbeitskolleg*innen und einer sozial gerechten Gesellschaft voranzutreiben. In diesem Sinne ist die Verwendung inklusiver Sprache ein berufspolitisches Statement und Teil professionellen Handelns.

Der Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz hält fest, dass Fachpersonen allen Menschen ihre Gleichwertigkeit eingestehen (8.2), Diskriminierung zurückweisen (9.4), Verschiedenheiten anerkennen (9.5), jegliche diskriminierenden und abwertenden Formulierungen vermeiden müssen (12.5) und zwar auch oder gerade dann, wenn dies im Widerspruch steht zu Autoritäten, von denen sie selbst abhängig sind (10.4).

  • 8.2 Die Professionellen der Sozialen Arbeit gestehen jedem Menschenungeachtet von Geschlecht, Rasse, Status und individuellen Besonderheiten den mit seiner Würde verbundenen gleichen Wert unbedingt zu und respektieren die Grundwerte der Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit, auf die jedes Individuum ein unantastbares Recht hat.
  • 9.4 Verpflichtung zur Zurückweisung von Diskriminierung
    Diskriminierung, sei es aufgrund von Fähigkeiten, Alter, Nationalität, Kultur, sozialem oder biologischem Geschlecht, Familienstand, sozioökonomischem Status, politischer Meinung, körperlichen Merkmalen, sexueller Orientierung oder Religion, kann und darf nicht geduldet werden.
  • 9.5 Verpflichtung zur Anerkennung von Verschiedenheiten
    Unter Beachtung von sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen sind ethnische und kulturelle Unterschiede zu achten und die Verschiedenheit von Individuen, Gruppen und Gemeinschaften zuberücksichtigen; vordringlich jedoch ist die stetige und nachdrückliche Einforderung unbedingter Akzeptanz allgemein gültiger Normen und Werte, die insbesondere keine Menschenrechte verletzen und die für alle Menschen gelten.
  • 10.4 Die Professionellen der Sozialen Arbeit gründen ihre Arbeit auf Vertrauen und Wertschätzung, sie informieren über ihre Möglichkeiten und Grenzen, ihre Arbeitsweisen und Methodenwahl, ihre Befugnisse und Kompetenzen sowie den Einbezug anderer Fachpersonen. Sie gestalten ihr Handeln nach den theoretischen, methodischen und ethischen Kriterien ihrer Profession, auch und gerade wenn dies im Widerspruch steht zu Autoritäten, von denen sie selber abhängig sind.
  • 12.5 Die Professionellen der Sozialen Arbeit dokumentieren ihre Tätigkeit nach anerkannten Standards (Aktenführung); sie vermeiden jegliche diskriminierenden und abwertenden Formulierungen und unterscheiden zwischen überprüfbaren Fakten, eigenen und Fremdbeobachtungen sowie Hypothesen und Erklärungen bzw. Deutungen.

Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind also aufgrund des Berufskodex dazu verpflichtet, inklusive, adressat*innengerechte Sprache zu verwenden, auch wenn dies von ihren Arbeitgebenden oder den Träger*innenschaften ihrer Organisationen untersagt wird. Nur so garantieren sie, Räume zu schaffen in denen sich Adressat*innen und Arbeitskolleg*innen willkommen und sicher fühlen.

Die Internationale Föderation der Sozialen Arbeit (IFSW) hielt 2014 im Zusammenhang mit der internationalen Definition der Sozialen Arbeit zu sexueller Orientierung und Genderausdruck fest: «Social workers must commit themselves to enhancing the well-being of people whose sexual identity, sexual orientation, or gender expression may differ from the norm as an essential aspect of the profession’s ethical and practice commitment to human rights.” (IFSW, 2014, S. 1)

Die Schweiz hat 1974 die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats von 1950 ratifiziert. Sie untersteht damit auch dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Artikel 14 der Konvention umfasst ein Diskriminierungsverbot, zu dessen Einhaltung sich die Schweiz verpflichtet hat.

Art. 14 Diskriminierungsverbot
Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.

Die Konvention und den Berufskodex in der Praxis umzusetzen, ist Aufgabe der Fachpersonen der Sozialen Arbeit. Sie müssen die Grundsätze einfordern und auf zuwiderlaufende Umsetzungen aufmerksam machen. Der Leitfaden von AvenirSocial zu rassistischer Diskriminierung (2021) bringt die Verpflichtung der Fachpersonen folgendermassen auf den Punkt: «Nur weil eine Handlung gesetzlich legitim oder sogar gefordert ist, bedeutet das nicht, dass sie menschenrechtlich legitim ist. Das zeigt, dass sich Soziale Arbeit nicht nur massgeblich auf Menschenrechte bezieht, sie nutzt Menschenrechte als Analyseinstrument und als Schutzsystem für ihre Adressat*innen. Diskriminierungskritische Soziale Arbeit ist demnach keine Frage des Beliebens, sondern Kernelement einer professionellen menschenrechtskonformen Sozialen Arbeit. Damit hat die Soziale Arbeit nicht nur ein effektives Handlungsinstrument zur Verfügung, sondern auch eine weitergehende Verpflichtung, sich mit begründeter Fachpolitik in öffentliche Diskurse und Politik einzubringen und diese mitzugestalten. Sie hat somit die Aufgabe, auf strukturelle Veränderungen hinzuwirken.» (S.8)

Nicht nur die Profession selbst fordert das Engagement der Fachpersonen. Fachpersonen der Sozialen Arbeit wird auch von diversen Expert*innen eine wichtige Rolle bei der Sprachverwendung gegeben. So gibt zum Beispiel Kübra Gümüşay, Autorin des Bestsellerwerks «Sprache und Sein», Fachpersonen der Sozialen Arbeit eine entscheidende Aufgabe beim Widerstand gegen menschenfeindliche Ideologien. Denn Fachpersonen der Sozialen Arbeit verfügen über das Wissen und die Ressourcen, um diesen zu widersprechen. Es geht dabei nicht darum, ergebnisoffen über die Existenzberechtigung anderer Menschen zu diskutieren, sondern darum, absolute, radikale Weltbilder aufzubrechen (Gümüşay 2022, S. 30).

2.2. Diskriminierung auf der Ebene der Sprache

«Sprachliche Handlungen sind machtvoll. Nur das erklärt, warum Menschen, die den Status Quo der diskriminierenden und gewaltvollen Verhältnisse verändern wollen, so vehement bekämpft, verhöhnt, infrage gestellt werden.» (Hornscheidt, 2021, S.14)

Diskriminierungen finden unter anderem auf der Ebene der Sprache statt, sie werden durch die Sprache fortgesetzt, wiederaufgenommen und weitergeschrieben (Hornscheidt, 2021, S. 13). Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind verpflichtet, diese zu benennen und zu verhindern. Falls sie dies nicht tun, kann es gravierende Folgen für die Menschen haben, mit denen sie arbeiten.

Im Alltag wird oft argumentiert, dass es keine schlimmen Auswirkungen habe, wenn man zum Beispiel einen Menschen unbewusst falsch benennt oder mit einer Aussage abwertet. Die meisten sogenannten Mikroaggressionen passieren nicht als bewusste Abwertungen, sondern sind Teil herrschender Wertesysteme, die Menschen mit bestimmten Merkmalen als weniger wertvoll betrachten. Während die Fachperson, die dieses Merkmal für sich selbst vielleicht nicht kennt, eine Aussage als «normal» oder unproblematisch betrachtet, kann sie für betroffene Personen jedes Mal von neuem eine Konfrontation mit ihrem gesellschaftlichen Status bedeuten. Dies muss im Einzelfall noch nicht problematisch sein, in der Menge bedeutet es für Betroffene aber anhaltenden Stress und kann von depressiven Symptomen und Erschöpfungszuständen bis zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen.

Eine häufige Mikroaggression ist beispielsweise das Misgendering, das heisst einer Person ein Geschlecht zuzuschreiben, mit dem sie sich nicht identifiziert. Dabei handelt es sich in der Praxis oft um das wiederkehrende, meist unbewusste Falschbenennen von Menschen durch Institutionen oder Einzelpersonen. Aufgrund der fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung von non-binären Menschen, fehlt das Bewusstsein für die Auswirkungen von Misgendering. Dieses verletzt die Grundbedürfnisse der betroffenen Personen und hat in der Menge einen wirkungsmächtigen Einfluss auf die Psyche. Je mehr solche Mikroaggressionen stattfinden, desto grösser wird der Stress, die Erschöpfung der betroffenen Personen und die wiederum führt oft zu weiterführenden gesundheitlichen Problemen (Göth, 2021, S.6). In der Studienübersicht: Definition und Auswirkungen von Misgendern von Margrit Göth (2021) finden sich diverse Hinweise auf empirische Untersuchungen zu Mikroaggressionen.

Mikroaggressionen sind ein intersektionales Phänomen von dem alle Menschen, betroffen sein können. Im Leitfaden von AvenirSocial zu rassistischer Diskriminierung (2021) wird festgehalten, dass rassistische Gewalt unter anderem auch im verletzenden Sprachgebrauch stattfindet. Als Fachperson ist es also entscheidend, sich mit dem eigenen Sprachgebrauch auseinanderzusetzen und mögliche, daraus entstehende Mikroaggressionen zu reflektieren und zu verhindern. Dabei wird die Fachperson auch vom Diskurs und der Veränderung der Sprache auf gesellschaftlicher Ebene unterstützt. Denn «Sprache ist nicht statisch oder für alle Zeiten festgelegt, sondern verändert sich durch und mit dem gesellschaftlichen Wandel und beeinflusst diesen umgekehrt auch.» (Amnesty International, 2021, S.2)

2.3. Mit inklusiver Sprache sichere Räume schaffen

Als Fachperson gilt es, unter allen Umständen negative Auswirkungen des Sprachgebrauchs auf die Adressat*innen, mit denen gearbeitet wird, zu verhindern. Stattdessen soll Sprache als Instrument, das Fachpersonen den Zugang zu Adressat*innen vereinfachen kann, verstanden werden. Lann Hornscheidt (2021) bringt dies im Buch «Sprachhaltung zeigen» wie folgt auf den Punkt:

«Nur durch ein genaues, respektvolles, differenziertes und vorsichtiges Formulieren ist Wertschätzung ausdrückbar, werden Anwesenheiten möglich, werden Verbindungen benenn- und spürbar, wird Unvorstellbares vorstellbar».

Dies wird Fachpersonen nicht einfach in die Wiege gelegt, sondern muss bewusst geübt werden.

Sprache kann Fachpersonen Zugang zu ihren Adressat*innen verschaffen. Erst wenn sie eine Sprache sprechen, die von ihren Adressat*innen verstanden und nicht als verletzend empfunden wird, ist Beziehungsgestaltung möglich. Um mit Adressat*innen an für sie schwierigen Themen arbeiten zu können, braucht es einen Raum, in dem sie sich sicher fühlen. Verwenden Fachpersonen eine Art von Sprache, die sie abwertet, wird ein solcher Raum von Anfang an verunmöglicht. Inklusive Sprache allein schafft noch keine sicheren Räume, sie ist aber Voraussetzung, um diese überhaupt zu ermöglichen.

2.4. Chancen und Grenzen inklusiver Sprache

Dieses Grundlagenpapier soll aufzeigen, dass es nicht ausreicht, einfach inklusive Sprache unter Verwendung eines Leitfadens anzuwenden. Es braucht gleichzeitig auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der eigenen Sprachverwendung. Dafür kann die Anpassung der gesprochenen und geschriebenen Sprache ein guter Start sein.

Jede Anpassung der Sprache kann auch neue Ungleichheiten schaffen. Deshalb verzichtet AvenirSocial in dieser Grundlage darauf, verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten zu bewerten. Jede Sprache hat ihre Momente, in denen sie Welten öffnet, aber auch solche, die sie nicht erfassen kann. Umso wichtiger ist, sich der Grenzen und Chancen der eigenen Sprache bewusst zu sein und diese bewusst in eine Richtung zu ändern, die aus fachlicher Sicht sinnvoll ist.

Fachpersonen sind also zur Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Sprache aufgefordert. Wie bezeichne ich mich selbst? Warum und aufgrund welcher Annahmen bezeichne ich andere Personen auf eine bestimmte Art und Weise? Entspricht dies der Selbstbezeichnung dieser Personen?

Es braucht nicht nur eine formale Umsetzung inklusiver Sprache, sondern auch den Willen und das Interesse der Fachpersonen, sich an den Lebensrealitäten und Bedürfnissen der betroffenen Adressat*innen und Arbeitskolleg*innen auszurichten und sich anwaltschaftlich gegenüber Dritten für sie einzusetzen. Dabei werden und sollen die Fachpersonen auch Fehler machen dürfen.

«Wir brauchen Fehler. Wir müssen Fehler machen. Nur durch Fehler und das Lernen aus ihnen können wir uns die Welt erschliessen, sie ergründen.» (Gümüşay, 2022, S. 23)

Anstatt zu versuchen, möglichst keine Fehler zu machen und nach absoluter «political correctness» (3) zu streben, sollte man sich als Fachperson mit der Wirkung der eigenen Sprache auseinandersetzen und nach den strukturellen Ursachen der eigenen Sprachverwendung suchen.

Was für Fachpersonen der Sozialen Arbeit gilt, betrifft natürlich auch die Institutionen im Bereich der Sozialen Arbeit. Inklusive Sprache ist keine reine Verantwortung der einzelnen Fachpersonen oder der Gesellschaft. Auch institutionell muss die Sprachverwendung ein Thema sein; einerseits, in dem sich die Fachpersonen gemeinsam auf die Verwendung und Umsetzung inklusiver Sprache innerhalb ihrer Organisationen festlegen und andererseits, indem eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Sprachverwendung gefördert wird.

Um die Verwendung inklusiver Sprache zu üben und ihre Auswirkungen auf Adressat*innen und Arbeitskolleg*innen zu verstehen, braucht es aber auch eine vertiefte Auseinandersetzung in der Ausbildung. Sie soll dort beginnen und muss danach als fester Bestandteil der Arbeit in der Praxis immer wieder stattfinden. Sprache entwickelt sich weiter und so muss auch die Auseinandersetzung damit, auch bei langjährig tätigen Fachpersonen, immer wieder stattfinden.

All dies ist nicht selbstverständlich und erfordert Einsatz aller Akteur*innen zum Wohl einer diskriminierungsfreien, inklusiven Sprache. Nur mit diesem Einsatz können Missstände verlernt werden.

«Verlernen bedeutet, den Missstand ganz genau zu studieren und es genau deshalb anders zu machen. Nicht weil es einfach wäre, sondern obwohl es so schwierig ist. Nicht weil alles ginge, wenn man nur wollte, sondern obwohl gewollt ist, dass es nicht geht.» (Gümüşay, 2022, S. 22)

Fussnoten

3) Die Bedeutung dieses Begriffs unterscheidet sich je nach Perspektive, aus der er verwendet wird. So wird er auf der einen Seite mit «lächerlicher Euphemisierung» oder «dogmatischer intoleranter Politik» assoziiert, andererseits steht er aber auch für einen nicht rassistischen, nicht sexistischen, nicht diskriminierenden, inklusiven Sprachgebrauch (Brilling, 2021, S. 497).

3. Empfehlungen zur Verwendung inklusiver Sprache

«Es gibt kein Parallellexikon der «korrekten» oder der inklusiven Sprache. Keinen sicheren Weg für ein allumfassendes Abbild der Wirklichkeit.» (Gümüşay 2022, S. 24)

Entsprechend mangelt es nicht an verschiedensten Empfehlungen zur Sprachverwendung. Viele Betroffenenorganisationen publizieren fachlich fundierte und praktisch umsetzbare Leitfäden. Ob diese anschliessend von den Fachpersonen berücksichtigt werden, hängt entscheidend von deren Sensibilisierung ab. In Kapitel 3.2 wird eine Auswahl bestehender Dokumente in Bezug auf verschiedene Aspekte inklusiver Sprache aufgezeigt. Es handelt sich um eine erweiterte Zusammenstellung der Empfehlungen der Mitglieder der Fachgruppe LGBTQIA*von AvenirSocial.

3.1. Welche Sprache verwendet der Berufsverband (nicht)?

AvenirSocial hält sich bei den Empfehlungen zur Sprachverwendung an den Grundsatz aller Menschenrechtsorganisationen:

«Als [Organisation], die sich gegen Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung und Ausgrenzung engagiert, muss eine gendersensible und diskriminierungsfreie Kommunikation […] selbstverständlich sein.» (Amnesty International, 2021, S.2)

Bisher hat AvenirSocial zwei Publikationen veröffentlicht, die auf unterschiedlichen Ebenen konkrete Empfehlungen zum Sprachgebrauch geben. Mit dem (Un-)Wörterbuch Soziale Arbeitwill AvenirSocial eine Antwort geben auf ungenau oder negativ verwendete Begriffe im Zusammenhang mit Sozialer Arbeit. Es soll Fachpersonen dabei unterstützen, diesen Begriffen mit fachlichen Argumenten zu begegnen und somit Beitrag zum öffentlichen Diskurs über Soziale Arbeit geben. Der seit 2020 verbandsintern verwendete und öffentlich einsehbare Leitfaden Non-binäre Sprache, legt die schriftliche und mündliche Sprachverwendung des Verbands fest. Ziel dieses Leitfadens ist es auch, Fachpersonen aufzuzeigen, welche sprachlichen Regelungen der Berufsverband empfiehlt. Er fokussiert dabei auf Genderaspekte inklusiver Sprache, da diese auf besondere Art und Weise in der deutschen Sprache verankert sind (alle Nomen haben ein Geschlecht, dies ist nicht in allen Sprachen der Fall). Neben dem Leitfaden findet ein ständiger Austausch über die Sprachverwendung im Verband statt. So werden aktuell beispielsweise die Wörter Fachpersonen der Sozialen Arbeitund Adressat*innenverwendet und nicht mehr Professionelle der Sozialen Arbeitoder Klient*innen.Wichtig ist dabei nicht, auf welche Wörter sich genau festgelegt wird, sondern dass diese nicht als absolut angesehen werden. Wörter sollen ständig weiterentwickelt und dem aktuellen Stand des Wissens und der Reflexion angepasst werden können.

3.2. Empfehlungen zur Umsetzung inklusiver Sprache in der Praxis

Die folgenden Praxisleitfäden sind sortiert nach den Adressat*innen, die besonders davon betroffen sind. Dies bedeutet nicht, dass die Empfehlungen ausschliesslich im Umgang mit den betroffenen Menschen verwendet werden können, sondern alle Dokumente sollen Anregungen zur grundsätzlichen Reflexion über den Umgang mit der eigenen Sprache geben. Die folgende Auflistung ist nach Dokumentenform und Erscheinungsjahr sortiert. Zuerst folgen die frei zugänglichen Dokumente und am Ende solche, die bezahlt werden müssen.

Sprachverwendung allgemein

Von Rassismus betroffene Menschen

Queere Menschen

Queere Kinder- und Jugendliche

Menschen mit Behinderung

4. Handlungsaufforderung

Die Grundprinzipien der Sozialen Arbeit erklären und einfordern

Die Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind aufgefordert, ihren Arbeitgebenden und Träger*innenschaften die Verpflichtungen, die sich aus dem Berufskodex ergeben, zu erklären und die Umsetzung dieser einzufordern. Sie haben die Pflicht, für sich selbst jederzeit die Verwendung einer inklusiven Sprache einzufordern und sich dafür einzusetzen, dass diese auch von allen anderen Akteur*innen in der Gesellschaft verwendet wird.

Sich mit dem eigenen Sprachgebrauch auseinandersetzen

Es braucht eine immer wiederkehrende Selbstreflexion aller Fachpersonen zum eigenen Sprachgebrauch. Dabei setzen sich die Fachpersonen mit folgenden Fragen auseinander: Wie bezeichne ich mich selbst? Welche Bezeichnungen verwende ich für Andere und warum? Welche Sprache verwenden meine Adressat*innen? Verstehen sie mich? Spreche ich sie korrekt an? Diskriminiere ich Menschen durch meine Ausdrucksweise? Wie setze ich mich auf struktureller Ebene für das Thema ein?

Fehler zulassen und üben

Fehler zu machen ist erlaubt und notwendig für die individuelle Auseinandersetzung. Nur durch Bewusstwerden der Fehler und konkretem Üben verändert sich der eigene Sprachgebrauch. Deshalb braucht es bereits eine explizite Auseinandersetzung mit inklusiver Sprache in der Ausbildung. Adressat*innen gegenüber transparent zu sein, dass man sich selber im Lernprozess befindet, sich eventuell manchmal verspricht, sich aber stets bemüht, ist ein Zeichen des Respekts und kann sichere Räume stärken.

Mit inklusiver Sprache sichere Räume schaffen

Ein sehr wichtiger Punkt für betroffene Adressat*innen ist, wie Fachpersonen darauf reagieren, wenn diese sie auf Mikroaggressionen wie Misgendering oder eine andere Form von Diskriminierung aufmerksam machen. Oft reagieren Fachpersonen ablehnend bis aggressiv, wenn sie durch Betroffene darauf hingewiesen werden. Dies wiederum erzeugt dann eine erneute Verletzung und Distanzierung der Adressat*innen. Hilfreich kann in dieser Situation sein, den Hinweis neutral entgegenzunehmen, sich für den Hinweis zu bedanken, sich kurz zu entschuldigen, den Satz zu korrigieren und dann weiterzumachen. Eine solche Situation und die professionelle Reaktion darauf stärken das eigene Üben und die Beziehung zur beziehungsweise den sicheren Raum für die Person.

AvenirSocial fordert alle Fachpersonen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachverwendung auf, damit sprachliche Exklusion in Zukunft verhindert und sichere Räume für alle Adressat*innen und Fachpersonen geschaffen werden. Es braucht den politischen Einsatz der Fachpersonen für die Anerkennung aller Menschen und eine inklusivere Gesellschaft.

5. Quellenverzeichnis

6. Herausgebendenschaft

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