Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz

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Feministischer Streik 2024 – Gemeinsam für mehr Gleichberechtigung

Erinnern wir uns.

In der Schweiz wurde am 14. Juni 1981 der Gegenentwurf zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Mann und Frau» angenommen. Seit der Annahme durch die Wähler*innen ist der Grundsatz der Gleichstellung von Frauen* und Männern in allen Lebensbereichen in der Bundesverfassung verankert. Doch die Umsetzung dieses Gesetzesartikels verzögerte sich. Deshalb gingen 1991, zehn Jahre nach der Annahme der Volksabstimmung, Frauen* auf die Strasse, um gegen die fortlaufende Diskriminierung zu demonstrieren. Der 14. Juni wurde daraufhin zu einem symbolischen Datum, um die Gleichstellung zu fördern, Care-Arbeit aufzuwerten und sexistische und sexualisierte Gewalt zu bekämpfen.

Informieren wir uns.

Heute ist die Situation in der Schweiz nach wie vor sehr besorgniserregend. Laut dem Gleichstellungsbarometer 2021 der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SKGB) sind die Lücken bei der Gleichstellung gross. Seit 2018 ist sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Die Gleichstellung, wie sie in der Bundesverfassung für die Bereiche Familie, Bildung und Arbeit definiert ist, bleibt bis heute unerreicht. Beispielsweise ist eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familien- und Hausarbeit noch immer weit entfernt von der Realität. Frauen* leisten immer noch mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer und haben noch nicht die gleichen Karrierechancen und Lohngleichheit. In der politischen Arena und im öffentlichen Raum sind Frauen* immer noch unterrepräsentiert, was ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen stark behindert.

Anlässlich des internationalen Tags für die Rechte von Frauen* am 8. März 2024 erinnert uns der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) an diese Statistik: Im Durchschnitt liegt das Einkommen von Frauen* immer noch 43% unter dem der Männer. Als Folge dieser niedrigeren Löhne sind auch die Renten der Frauen* um ein Drittel niedriger als die der Männer. Das bedeutet, dass Ungleichheiten und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts – die häufig nicht sichtbar sind – fortbestehen und die Vulnerabilität der Betroffenen verstärken. Dabei ist Gleichstellung eine Grundvoraussetzung für eine wirklich solidarische und demokratische Gesellschaft.

Wachen wir auf.

Die Gleichheit aller Menschen in Bezug auf Würde und Rechte ist ein Grundrecht, das in die Erklärung der Menschenrechte (1948) aufgenommen wurde. Speziell das «Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau» (1979), ein internationaler Vertrag, den auch die Schweiz ratifiziert hat, bekämpft auch die geschlechtsspezifische Diskriminierung und bietet besonderen Schutz für die Rechte der Frauen*. Trotz dieser internationalen Übereinkommen bestehen in der Praxis weiterhin Ungleichheiten. Es ist daher unerlässlich, sich weiterhin für eine gerechtere, gleichberechtigte und integrative Gesellschaft einzusetzen.

Als Berufsverband der Sozialen Arbeit in der Schweiz setzt sich AvenirSocial leidenschaftlich für die Gleichheit aller Menschen ein. Wir setzen uns für das Recht auf Bildung, die Chancengleichheit und die Teilhabe am politischen und kulturellen Leben ein. Wir bekämpfen jede Form von Diskriminierung, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz.

Die Gleichstellung aller Menschen, unabhängig von Geschlecht, ist für die gesamte Gesellschaft von Vorteil. Sie fördert gesunde Beziehungen, indem sie Gewalt vorbeugt und Geschlechterstereotype abbaut. Darüber hinaus führt mehr Repräsentation der Geschlechter auf politischer Ebene zu nachhaltigeren Entscheiden und unterstützt ein inklusives, stabiles und widerstandsfähiges Wirtschaftswachstum, indem sie die soziale Mobilität von Frauen* erhöht (OECD, 2023, FR). Ausserdem verbessert sie den Umweltschutz. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass eine stärkere Vertretung von Frauen in politischen Gremien dazu führt, dass Länder strengere Klimaschutzmassnahmen ergreifen (Mavisakalyan & Tarverd, 2018).

Es liegt daher in unserer Verantwortung, uns JETZT gemeinsam für eine Zukunft einzusetzen, in der jede Person ihr volles Potenzial unabhängig vom Geschlecht entfalten kann.

Engagieren wir uns.

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen hängt zum Teil von strukturellen Veränderungen ab, die sowohl auf politischer Ebene wie auch im gesellschaftlichen Diskurs initiiert werden müssen. In manchen Situationen bilden jedoch bereits der Wille von Führungspersonen und die Initiative im Team der Sozialarbeitenden eine solide Grundlage für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wie in der Broschüre zu Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit, Handlungsmöglichkeiten für Organisationen (2023) dargelegt wird.

An diesem symbolischen Tag fordert AvenirSocial umfassende Massnahmen zur Gewährleistung der Gleichstellung, insbesondere und exemplarisch im Bereich der Sozialen Arbeit:

  1. Wir fordern eine Aufwertung der Berufe im Bereich der Sozialen Arbeit.
    Es müssen endlich gesetzliche Massnahmen, Lohnerhöhungen und die Förderung der Ausbildung in Sozialen Arbeit in Angriff genommen werden.
  2. Wir fordern eine echte und freie Berufswahl auf der Grundlage von Fähigkeiten und Vorlieben und nicht von Geschlechterstereotypen.
    Dazu sind Massnahmen zur Sensibilisierung in der Schule erforderlich.
  3. Wir fordern mehr Frauen* in Führungspositionen der Sozialen Arbeit.
    Neben Richtlinien für die Einstellungspraxis oder die Personalentwicklung ist es an der Zeit für einen grundlegenden Wertewandel. Das Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter muss von den sozialen Organisationen wertgeschätzt, sichtbar gemacht und umgesetzt werden. Die Verwendung einer inklusiven Sprache muss systematisch erfolgen.
  4. Wir fordern vollständige Lohngleichheit.
    Damit Lohnungleichheiten aufgedeckt werden können, müssen die Löhne kontrolliert werden. Wenn Arbeitgeber gleichwertige Arbeit nicht gleich entlöhnen, handeln sie illegal und sollen dafür mit einer Geldstrafe belegt werden können. Die Lohnpolitik in Organisation muss transparent sein.
  5. Wir fordern die Anerkennung der Care-Arbeit.
    Diese Anerkennung ist möglich durch Elternzeit, Teilzeitstellen für Führungspersonen, kürzere Arbeitszeiten sowie die Anrechnung von Care-Arbeit bei der Rente und der Berufserfahrung. Die Arbeitsbedingungen müssen die Vereinbarkeit von beruflichen und ausserberuflichen Tätigkeiten ermöglichen.
  6. Wir fordern null Toleranz für Sexismus und sexualisierte Gewalt.
    Es müssen unabhängige Stellen eingerichtet werden, die Beschwerden z. B. über Lohnunterschiede oder sexuelle Belästigung unterstützen.
  7. Wir fordern Massnahmen zur Armutsbekämpfung.
    Höhere Kinderzulagen, unbürokratische Unterhaltsvorschüsse für alleinerziehende Mütter und niedrigere Krankenversicherungsprämien sind notwendige Massnahmen, die ergriffen werden müssen.

Die volle Entfaltung des Einzelnen kann nur in einem egalitären und inklusiven Umfeld erreicht werden. Wir rufen unsere Mitglieder dazu auf, im Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweiz zusammenzuhalten.

06.06.2024