Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz

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Nationale Wahlen 2023: fünf Fragen an unsere kandidierenden Mitglieder

Um von unseren kandidierenden Mitgliedern zu erfahren, was ihnen wichtig ist und wie sie sich im eidgenössischen Parlament für die Soziale Arbeit starkmachen wollen, haben wir ihnen die folgenden fünf Fragen gestellt.

 

Welche sozialpolitischen Themen liegen dir besonders am Herzen und warum?

Die Antworten zu der ersten Frage haben die ganze Bandbreite der sozialpolitischen Themen abgedeckt: Arbeitsbedingungen, Asylpolitik, Chancengleichheit, Gleichstellung der Geschlechter, Inklusion, Jugend, Partizipation, soziale Sicherheit, Sozialhilfe, Ungleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ein Grossteil der Antworten beschäftigt sich mit dem Thema Armut und soziale Gerechtigkeit. Die Kandidierenden stören sich an der Tatsache, dass in der Schweiz Menschen von Armut betroffen sind, und an der daraus resultierenden sozialen Ungleichheit. Damit verbunden ist die fehlende Chancengleichheit oder die mangelhafte Möglichkeit zur Teilnahme am sozialen und politischen Leben, die von einigen Kandidierenden explizit erwähnt wird. Hier wird sowohl auf Kinder allgemein als auch auf geflüchtete Personen und Personen ohne Schweizer Pass Bezug genommen. Aber auch die Ungleichbehandlung der Geschlechter beschäftigt unsere Kandidierenden.

Ein weiteres Thema ist die mangelnde Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Sowohl aus Sicht der Fachpersonen in Bezug auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen als auch hinsichtlich der Adressat*innen. Sorgen bereitet den Kandidierenden zudem die Asylpolitik, insbesondere die bestehenden Sanktionen in der Sozialhilfe und der Nichtbezug von Sozialhilfe aufgrund drohender Nachteile beim Aufenthaltsstatus.

Speziell erwähnt wird auch das Thema Jugend. Hier haben einige der Kandidierenden hervorgehoben, dass sie die steigende Anzahl Jugendlicher mit psychischen Problemen beunruhigt.

 

«Eine gute Soziale Arbeit braucht genügend Zeit, Ressourcen und ein Verständnis der Wichtigkeit unserer Arbeit.»

Anna Tanner

 

Was muss an den aktuellen Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit verändert werden?

In einem Wort: Ressourcen. Die Kandidierenden erwähnen die mangelhaften Ressourcen in unterschiedlicher Ausprägung: personell durch die ungenügende Anzahl Mitarbeitender, zu wenig ausgebildete Fachpersonen der Sozialen Arbeit oder einen Mangel an Fachkräften; zeitlich durch die oftmals ungenügende Zeit, die für eine zufriedenstellende Arbeit zur Verfügung steht, und die hohe Arbeitsbelastung; finanziell sowohl aus Sicht der zur Verfügung gestellten Gelder für eine Institution oder Organisation als auch hinsichtlich des Lohns, aber auch die fehlenden Mittel zur Weiterbildung der Mitarbeitenden. Viele Kandidierende wünschen sich zudem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Hier werden insbesondere Rahmenbedingungen der Sozialpädagogik bemängelt: Pikett- und Wochenenddienste, die unzureichend entlöhnt werden.

 

Wie würdest du dich im Parlament für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit einsetzen?

Unter den Antworten zu dieser Frage finden sich sowohl Vorschläge, die die Arbeitsbedingungen der Fachpersonen direkt betreffen, als auch Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Adressat*innen, die einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit der Fachpersonen und dadurch ihre Arbeitsbedingungen haben. Darunter finden sich etwa die Senkung der Krankenkassenprämien und das Engagement für bezahlbaren Wohnraum.

Konkret für die Soziale Arbeit hervorgehoben wird aber die Unterstellung der sozialpädagogischen Institutionen unter das Arbeitsgesetz oder die Forderung nach einem Rahmengesetz für die Sozialhilfe. Durch die Unterstellung der Sozialpädagog*innen unter das Arbeitsgesetz würden deren Arbeitsbedingungen mit der zuvor erwähnten Entlöhnung für Pikett- und Wochenenddienste verbessert. Gleichzeitig würde das Berufsfeld attraktiver, was sich wiederum auf die Attraktivität der Ausbildung auswirken würde. Ein Sozialhilferahmengesetz würde schweizweit einheitliche Vorgaben für die Sozialhilfe formulieren und daher eine Vereinheitlichung der Praxis schaffen. Selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass die Ausgestaltung faire Rahmenbedingungen schafft und dem Abwärtstrend der sinkenden Leistungen und steigenden Sanktionsmöglichkeiten ein Ende setzt.

 

«Wir haben hervorragende Fachkräfte, diese dürfen wir nicht weiter so verschleissen.»

Tobias Rettich

 

Was muss gegen den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit unternommen werden?

Zu dieser Frage werden unterschiedliche Herangehensweisen erwähnt. Einerseits durch die Stärkung der Profession durch eine höhere Wertschätzung der Arbeit der Berufsfelder der Sozialen Arbeit und eine Anerkennung durch höhere Löhne. Diese bilden einen Teil der Arbeitsbedingungen, die grundsätzlich verbessert werden sollen. Hier finden die oben genannten Themen Erwähnung, explizit betont wird aber nochmals die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.

Andererseits wird von den Kandidierenden vorgeschlagen, den Zugang zur Ausbildung zu verbessern. Durch eine attraktivere Ausbildung, eine Ausbildungsoffensive, die Möglichkeit eines erleichterten Zugangs für verwandte Disziplinen, Fachpersonen mit ausländischen Diplomen oder geflüchtete Menschen.

 

Wie können Adressat*innen vermehrt in politische Prozesse einbezogen werden?

Die Kandidierenden sehen auf der einen Seite die Politiker*innen in der Verantwortung. Sie sollen den Kontakt zu den Adressat*innen suchen und sich mit ihren Anliegen auseinandersetzen. Ausserdem sollen Gruppen von Adressat*innen in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Etwa Armutsbetroffene, Sozialhilfebeziehende oder geflüchtete Menschen. Gleichzeitig bemängeln die Kandidierenden auch den beschränkten oder nicht vorhandenen Zugang zur politischen Beteiligung für einen Grossteil der Wohnbevölkerung.

Eine weitere Möglichkeit zur Stärkung der Stimme der Adressat*innen sehen die Kandidierenden durch mehr Fachpersonen der Sozialen Arbeit in der Politik.

 

«Gute, faire Arbeitsbedingungen und eine sinnhafte Arbeit sind die beste Prävention gegen eine hohe Fluktuation und wirksamer als Sparübungen.»

David Gundi

05.09.2023