„Perspektiven – Studium“- Hochschulzugang für Geflüchtete
„Perspektiven – Studium“- Hochschulzugang für Geflüchtete 11.06.2020
Gastbeitrag von Ann-Seline Fankhauser, Co-Projektleiterin Perspektiven-Studium
Seit 2016 setzt sich der Verband der Schweizer Studierendenschaften VSS mit dem Projekt Perspektiven-Studium für einen chancengerechten Hochschulzugang für studentische Geflüchtete in der Schweiz ein. An rund 20 Hochschulen gibt es heute studentische Initiativen und Projekte, die Geflüchteten die Aufnahme bzw. die Fortsetzung eines Studiums in der Schweiz ermöglichen wollen. Die meisten dieser Projekte sind als Mentoring- und/oder Schnupperprojekte ausgestaltet. Studieninteressierte Geflüchtete können als Gasthörende Vorlesungen besuchen, teilweise Sprachkurse absolvieren und werden durch freiwillige Studierende im Rahmen eines Mentorings begleitet.
Die Projekte schaffen einen wichtigen Mehrwert in Bezug auf die soziale Integration und die Verbesserung der Sprachkenntnisse der Teilnehmenden. Zudem vermitteln sie Kenntnisse zum Schweizer Bildungssystem und ermöglichen eine Standortbestimmung und Chanceneinschätzung in Bezug auf den Studienwunsch. Doch an den unverhältnismässig hohen Hürden, denen Geflüchtete bei der Zulassung zu einem Hochschulstudium begegnen (ungenügende Diplomanerkennung, hohe Sprachanforderungen, Finanzierung, etc.), vermögen die wenigsten dieser Projekte etwas zu ändern. Es fehlt an institutioneller Unterstützung und konkreten Vorbereitungs- und Fördermassnahmen.
Mit Ausnahme des Projekts „Zugang für geflüchtete Menschen“ an der ZhdK, beschränkt sich das Engagement für studieninteressierte Geflüchtete an den Fachhochschulen unseres Wissens z. Z. auf die Initiativen einzelner Dozent*innen oder auf sur dossier Zulassungen in Einzelfällen. Weiter befinden sich an der ZHAW und an der HKB Studierendeninitiativen im Aufbau.
Relevanz für die Soziale Arbeit
Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen und zu fördern, ist ein Grundanliegen der Sozialen Arbeit. Aber auch Zugänge zu sämtlichen relevanten Gesellschaftsbereichen für alle zu schaffen und wo nötig eine Veränderung der Rahmenbedingungen zu erwirken, liegen im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit.
Bislang ist Perspektiven-Studium leider keine Hochschule der Sozialen Arbeit bekannt, die sich mit einem Projekt für den erleichterten Hochschulzugang für Geflüchtete engagiert. Dabei würden gerade gut ausgebildete Menschen mit Migrationserfahrung einen grossen Mehrwert für die Praxis der Sozialen Arbeit insbesondere im Migrations- und Integrationsbereich mitbringen. Aber auch die Regulärstudierenden könnten von Mentoringprojekten für Geflüchtete an Hochschulen profitieren. Denn diese bieten die Möglichkeit, sich in Bezug auf ein konkretes gesellschaftliches Problem zu engagieren und sich wertvolle Praxiserfahrungen und Kompetenzen anzueignen.
Bislang ist Perspektiven-Studium leider keine Hochschule der Sozialen Arbeit bekannt, die sich mit einem Projekt für den erleichterten Hochschulzugang für Geflüchtete engagiert. Dabei würden gerade gut ausgebildete Menschen mit Migrationserfahrung einen grossen Mehrwert für die Praxis der Sozialen Arbeit insbesondere im Migrations- und Integrationsbereich mitbringen.
Die Hochschulen für Soziale Arbeit in der Deutschschweiz taten sich aber in Zusammenhang mit der Thematik vielmehr durch eine für Geflüchtete praktisch unüberwindbare Hürde bei der Studienzulassung hervor, lag doch die Sprachanforderung beim höchstmöglichen Niveau C2. Dass die Fachhochschulen nun – aufgrund eines Entscheids der Konferenz der Fachhochschulen für Soziale Arbeit (Sassa) - ihre Reglemente diesbezüglich ändern werden, ist dem hartnäckigen Willen einer jungen Palästinenserin und dem Heks MosaiQ Ostschweiz zu verdanken. Mit einem C1 bleiben die Sprachanforderungen weiterhin sehr hoch und auch höher als in der französischsprachigen Schweiz, wo Sprachkenntnisse auf Niveau B2 meist genügen.
Studierendenprojekt «Integral»
Studierende der Sozialen Arbeit an der FHNW haben im Rahmen eines Studierendenprojektes ein Konzept erarbeitet, um den Hochschulzugang für studentische Geflüchtete an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW zu erleichtern und sie auf ihrem Weg zu einem Studium zu begleiten.
Das Projekt «Integral» sieht verschiedene Unterstützungsmassnahmen für studentische Geflüchtete vor. Im Rahmen eines einjährigen Hinführungsstudiums werden die sprachlichen Kompetenzen gefördert und erste Module in der gewünschten Studienrichtung besucht, wobei die erworbenen ECTS-Punkte bei einem Übergang ins reguläre Studium angerechnet werden können. Freiwillige Studierende begleiten sie als Mentor*innen in Studiums- und Alltagsfragen. Eine Vermittlungsstelle unterstützt die geflüchteten Personen in den unterschiedlichen Phasen des Studienprozess. Sie stellt Informationen zum Studium bereit, organisiert und vermittelt Kontakte zur Studienfinanzierung und bietet Hilfe beim Aufnahme- und Qualifikationsverfahren.
Das Projekt beinhaltet aus Sicht von Perspektiven-Studium alle relevanten Elemente, um qualifizierten Geflüchteten die Aufnahme oder Fortsetzung eines Hochschulstudiums in der Schweiz zu ermöglichen: qualifizierende Fördermassnahmen und Sprachangebote, die an ein reguläres Hochschulstudium heranführen; Information und Unterstützung im Zulassungsprozess; und die Berücksichtigung auch von nicht-dokumentierten Fähigkeiten und Kompetenzen. Zudem begünstigt das Mentoring die soziale Integration und ermöglicht es den Mentor*innen praktische Erfahrungen zu sammeln und sich die Leistungen als ECTS-Punkte im Rahmen eines Wahlmoduls anrechnen zu lassen.
„Die Idee von «Integral» ist so konzipiert, dass sie an verschiedenen Hochschulen eingesetzt werden kann und baukastenartig bestehende Lücken beim Hochschulzugang für studentische Geflüchtete schliesst“, schreiben die Studierenden. Sie verstehen ihr Projekt als Möglichkeit, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sich für die Verwirklichung von Chancengleicheit und Schutz vor Diskriminierung im Hochschulraum einzusetzen und das vorhandene Potenzial geflüchteter Personen, sowie die Anerkennung von Diversität als wertvollen Bestandteil der Gesellschaft zu fördern.
In einem nächsten Schritt wollen sie im Rahmen eines Pilotprojekts versuchen, das Erarbeitete in die Praxis umzusetzen. Hierfür sind sie jedoch auf institutionelle Unterstützung und die Mitarbeit von Entscheidungsträger*innen innerhalb der Hochschulen angewiesen. Gegenüber der Fachhochschule Nordwestschweiz gilt es nun zu verdeutlichen, dass das vorliegende Projekt die Diversität und damit eine der Zielsetzungen der FHNW stärkt und weiterentwickelt.
Interessierst Du Dich für «Perspektiven-Studium» oder für das Projekt «Integral»? Dann kontaktiere uns über perspektiven-studium@vss-unes.ch
Der Blog wiederspiegelt die persönlichen Haltungen der BeitragsautorInnen.