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Häusliche Gewalt im Herkunftsmilieu – was tun? 24.06.2021

Blogbeitrag von Eric M. Ryhiner, Sozialpädagoge in Ausbildung in einem Kinder- und Jugendheim im Kanton Basel-Stadt, Student an der BFF Bern und an der FHNW Olten. Als ich 2018 mit der Ausbildung zum Sozialpädagogen im stationären Bereich begann, war ich...

Blogbeitrag von Eric M. Ryhiner, Sozialpädagoge in Ausbildung in einem Kinder- und Jugendheim im Kanton Basel-Stadt, Student an der BFF Bern und an der FHNW Olten.

Als ich 2018 mit der Ausbildung zum Sozialpädagogen im stationären Bereich begann, war ich noch etwas blauäugig, was das Thema häusliche Gewalt in unserer Gesellschaft betrifft. Ich selbst hatte das Glück, eine gewaltfreie Erziehung zu geniessen. Selbst in der Schweiz ist dies leider keine Selbstverständlichkeit.

Gemäss Kinderschutz Schweiz leiden 20% der Kinder hierzulande unter schwerer Gewalt.

In unserem Nachbarland Deutschland ist bereits seit über 20 Jahren das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetz verankert. In der Schweiz wurde ein solcher Versuch jüngst vom Bundesrat zurückgewiesen (Kinderschutz Schweiz, 2021). Aber ob es dadurch zu einer deutlichen Verbesserung käme, bleibt fraglich. Die betroffenen Kinder sprechen nur selten darüber, dass sie unter häuslicher Gewalt leiden. Einerseits liegt dies am offensichtlichen Loyalitätskonflikt mit ihren Eltern, andererseits daran, dass den meisten auch nicht klar ist, dass auch psychische Gewalt zur häuslichen Gewalt zählt. Niemand spricht gerne darüber, zu Hause geschlagen oder mit einer Tasse heissem Wasser absichtlich verbrüht worden zu sein. Auf Nachfrage heisst es dann meist, dass es ein Unfall gewesen oder eben ein Missgeschick passiert sei. Sätze wie «Ich bin gegen die Tür gelaufen» oder «Ist bloss eine Sportverletzung» können Ausreden sein. In meiner Arbeit als Sozialpädagoge auf einer Intensivgruppe mit Adressat*innen, die eine engere Begleitung benötigen, ist es deswegen umso wichtiger, diesbezüglich ganz genau hinzuhören und im Zweifelsfall auch mehrmals nachzufragen. Die Chance darauf, zugleich eine ehrliche Antwort zu bekommen, ist aber gering. Aus den Erfahrungen im Kinder- und Jugendheim weiss ich nun, dass selbst enorm toxische, durch Gewalt geprägte Beziehungen zwischen Eltern und Kind kein Grund für einen Beziehungsabbruch sein müssen. Aus ihrer subjektiven Sicht würden die Kinder ein solches Leben meist dem Heimaufenthalt vorziehen.

Zudem wird die Gewalt von Phasen der Versöhnung abgelöst, in der die Opfer die Hoffnung haben, die Gewaltspirale sei endlich durchbrochen.

Erst, wenn die Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, sich im Ablösungsprozess von den Eltern befinden und ihren Sozialpädagog*innen, die sie seit Jahren begleiten, vertrauen, wird die erlebte Gewalt von ihnen zum Thema gemacht. Auch weil die Angst vor den damit verbundenen Konsequenzen abnimmt.

Doch was soll man tun, wenn ein Verdacht besteht, aber das Kind nichts erzählen will? Gerade bei jüngeren Kindern ist es wichtig, bei blauen Flecken und Verbrennungen darauf zu achten, wo am Körper sich diese befinden. Generell gilt, wenn die Verletzungen an ungewöhnlichen Körperstellen auftreten, die nicht auf einen Sturz zurückgeführt werden können oder nicht zur Erklärung des Opfers passen, muss nach der wirklichen Ursache gesucht werden. Denn 2019 wurden die Regeln für Gefährdungsmeldungen an die KESB angepasst. Neu sind neben amtlich tätigen Personen auch «Fachpersonen, die beruflich regelmässig mit Kindern Kontakt haben, wie zum Beispiel Kita-Mitarbeiterinnen oder professionelle Sporttrainer» (Zentrum für Soziales, 2021) verpflichtet, Verdachtsfälle bei der KESB zu melden. An diesem Punkt fängt die so wichtige Arbeit an, die den entscheidenden Unterschied in der Biografie der Opfer machen kann. Die häufig über längere Zeit erlebte Gewalt hinterlässt ein Trauma. Dies äussert sich bei den Betroffenen auf verschiedenste Weise. Gewisse reagieren mit Rückzug, andere entwickeln Verhaltensauffälligkeiten auf körperlicher (Essstörungen), psychischer (Ängstlichkeit) oder sozialer (Aggressivität) Ebene.

Wie reagieren?

Institutionen im stationären Bereich wurden in der Regel bereits als Massnahme zum Schutz des Kindes eingesetzt. Den Erziehungsberechtigten wurde entweder mit Nachdruck empfohlen, ihr Kind in die Obhut des Heims zu geben oder durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts bzw. des Sorgerechts vom Gesetz dazu gezwungen. Dementsprechend müssen wir als Fachpersonen, die in diesen Institutionen tätig sind, dafür sorgen, dass die Opfer in ihrer Resilienz gestärkt werden und sich bei zukünftigen Krisen direkt an uns wenden, damit sie von uns aufgefangen werden können. Komplett verhindern können wir eine Re-Traumatisierung leider nicht, aber wir können ihnen den sicheren Ort bieten, der ihnen zusteht.

Und was macht der Bund?

Das Problem der häuslichen Gewalt wurde inzwischen auch auf politischer Ebene erkannt und angegangen. Ende April 2021 setzten sich «alle relevanten Akteure im Kampf gegen häusliche Gewalt an einen Tisch» (Bundesamt für Justiz, 2021) und führten einen strategischen Dialog zum Thema in Bern. Die Opferhilfe-Beratungsstellen, die Dachorganisation Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein und die Schutzunterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt wurden bei der Erarbeitung der Roadmap gegen häusliche Gewalt miteinbezogen. Insgesamt zehn prioritäre Handlungsfelder wurden herausgearbeitet, u.a. die Präventionsarbeit, Sensibilisierung und Erziehung, den Schutz von Kindern wie auch die frühzeitige Erkennung heikler Situationen, welche als «Schlüsselprozess zur Verhinderung von Gewalttaten» (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, 2021, S. 4) gesehen wird. Diese Roadmap ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zu hoffen bleibt, dass sie auch ihre Wirkung zeigt, denn «2020 verloren neun Kinder ihr Leben wegen eines gewalttätigen Elternteils» (ebd. S.1), und das sind neun zu viel.

 

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Quellen:

  • Bundesamt für Justiz. (2021). Strategischer Dialog "Häusliche Gewalt". Bern, Bern, Schweiz.
  • Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement. (2021). Häusliche Gewalt: Roadmap von Bund und Kantonen. Bern.
  • Kinderschutz Schweiz. (2. Mai 2021). Kinderschutz.ch. Von Medienmitteilungen abgerufen
  • Zentrum für Soziales. (4. Mai 2021). zenso.ch. Von Meldungen an die KESB abgerufen

 

 

Kommunikation und andere Hindernisse für Schwerhörige und Gehörlose 11.05.2021

Blogbeitrag von Franziska Müller, Sozialarbeiterin bei der Beratung für Schwerhörige und Gehörlose in Zürich Heute Morgen erreicht mich eine Nachricht per E-Mail. Die Klientin ist aufgebracht, da ihr ein Arzt die Rechnung für die Gebärdensprach-Dolmetscherin ihrer Krankenkasse geschickt und diese...

Blogbeitrag von Franziska Müller, Sozialarbeiterin bei der Beratung für Schwerhörige und Gehörlose in Zürich

Heute Morgen erreicht mich eine Nachricht per E-Mail. Die Klientin ist aufgebracht, da ihr ein Arzt die Rechnung für die Gebärdensprach-Dolmetscherin ihrer Krankenkasse geschickt und diese die Rechnung wiederum an die Klientin weitergeleitet hat. Da ist offenbar etwas schiefgelaufen! Eine gehörlose Person muss nämlich die Kosten für Gebärdensprach-Dolmetschende nicht selber übernehmen (es gibt Ausnahmen, die hier aber nicht erläutert werden). Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz haben Gehörlose grundsätzlich ein Recht auf eine Übersetzung in Gebärdensprache, damit sie an wichtigen Gesprächen möglichst alles verstehen und besprechen können.

Die Deutschschweizer Gebärdensprache ist eine vollwertige Sprache und von vielen gehörlosen Menschen in der Schweiz die Muttersprache. Es wird mit den Händen gebärdet, aber ebenso wichtig ist die Mimik, das Mundbild und die Positionen. Es ist wunderschön, Gehörlosen beim Gebärden zuzusehen, da es eine direkte, lebendige und poetische Sprache ist.

Unsere Arbeit und unsere Ziele

Die Unterstützung bei erschwerter Kommunikation beinhaltet einen grossen Teil unserer Arbeit bei der Beratung für Schwerhörige und Gehörlose. Es dürfen sich alle Menschen mit einer Hörbehinderung, die im Kanton Zürich oder Schaffhausen wohnhaft sind, bei uns melden, falls sie Rat suchen. Oft haben Gehörlose, oder auch Schwerhörige, neben der Hörbehinderung zusätzlich Schwierigkeiten beim Schreiben, da Deutsch für sie wie eine Fremdsprache ist. Wir helfen deshalb auch, indem wir komplexe amtliche Briefe erklären oder im Namen der anfragenden Person schreiben.

Die Sozialberatung ist für Betroffene kostenlos, da wir uns über verschiedene Vertragspartnerschaften und Spenden finanzieren. In unseren Beratungen gehen wir bestmöglich auf die individuelle Kommunikationsmöglichkeiten der betroffenen Person ein. Unser oberstes Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Wir unterstützen wo nötig und sinnvoll und arbeiten parteilich und im Auftrag der Betroffenen. Wir vermitteln, erklären, telefonieren, schreiben Anträge, Gesuche und Stellungnahmen.

Maskenpflicht versus Mundbild ablesen

Die Einschränkungen für gehörlose oder schwerhörige Menschen im Alltag sind gross: Sie hören nicht, wenn es eine Durchsage im Bahnhof oder Zug gibt, sie verstehen nichts, wenn das Gegenüber nach unten oder auf die Seite schaut beim Sprechen, sie merken nicht, dass das Velo hinter ihnen klingelt und werden dann noch angegangen. Zusätzlich kommt nun während der Pandemie die Schwierigkeit dazu, dass Schutzmasken die Kommunikation mit den Mitmenschen erschweren.

Wir erleben deshalb täglich, dass die Corona-Zeit für gehörlose und schwerhörige Menschen eine besondere Herausforderung ist.

Das Tragen von Hygienemasken ist ja bekanntlich an vielen Orten obligatorisch und auch wichtig. Es verunmöglicht jedoch das Lippen-Absehen. Deshalb gibt es bei Menschen mit Hörbehinderung sehr oft Missverständnisse und ungute Gefühle aufgrund der Maskentragepflicht. Das ist ungerecht und für die Betroffenen frustrierend.

In der Covid-19-Verordnung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wird explizit erwähnt, dass «selbstverständlich zu Zwecken einer erforderlichen Kommunikation, die Maske ausgezogen werden kann». Leider wissen das jedoch die Wenigsten. Es braucht deshalb viel Aufklärung von unserer Seite, um auf die Rechte und Bedürfnisse von Schwerhörigen und Gehörlosen aufmerksam zu machen. Ärzt*innen, Behördenvertreter*innen usw. sollten die Masken ausziehen und mit genügend Abstand mit den schwerhörigen oder gehörlosen Personen sprechen. Diese können in den meisten Fällen zum Schutz des Gegenübers, die Maske anbehalten.

Damit ist aber noch nicht alles gesagt. Von den Lippen zu lesen ist nicht vergleichbar mit dem Lesen aus einem Buch. Nur ca. 30% des Gesagten kann eine geübte Person von den Lippen absehen. Alles Weitere muss zu einem sinnmachenden Satz oder Inhalt kombiniert werden. Das birgt eine grosse Gefahr für Missverständnisse.

So geht es besser

Falls Sie also in nächster Zeit einer gehörlosen oder schwerhörigen Person begegnen und mit ihr kommunizieren: Halten Sie genügend Abstand und entfernen Sie Ihre Maske. Sprechen Sie Schriftdeutsch, langsam und deutlich. Achten Sie darauf, dass das Licht auf Ihr Gesicht fällt und die andere Person nicht geblendet wird. Das Gegenüber kann meist zu Ihrem Schutz die eigene Maske anbehalten. Es gibt auch durchsichtige Masken, die zwar ungewohnt sind und vielleicht anlaufen. Aber es kann einen Versuch wert sein.

Und damit ein grosses Danke an alle, die aufmerksam sind und auf besondere Situationen mit Herz und Verstand reagieren!

 

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Ein Blick über den Tellerrand 08.04.2021

Blogbeitrag von Creszentia Heini, Schulsozialarbeiterin einer Primarschule der Stadt Zürich In meinem Büro mitten im Schulhaus kommen viele verschiedene Eltern vorbei. Einige sind selber schon hier zur Schule gegangen, andere hat es aus Bangladesch, Italien, Portugal, der Dominikanischen Republik, Eritrea,...

Blogbeitrag von Creszentia Heini, Schulsozialarbeiterin einer Primarschule der Stadt Zürich

In meinem Büro mitten im Schulhaus kommen viele verschiedene Eltern vorbei. Einige sind selber schon hier zur Schule gegangen, andere hat es aus Bangladesch, Italien, Portugal, der Dominikanischen Republik, Eritrea, Deutschland, Somalia, Brasilien sowie vielen anderen Ländern und natürlich auch aus der ganzen Schweiz nach Zürich in das Langstrassenquartier verschlagen oder gezogen. Die Schülerschaft an unserem Schulhaus ist eine sehr heterogene Mischung in Bezug auf Herkunft, Sprache und sozioökonomischem Hintergrund.

Die niederschwellige Elternarbeit hat sich in meiner Arbeit als Schwerpunkt etabliert. Sie hat sich nicht nur für mich, sondern auch für die Schule, längst bewährt.

Wenn die Eltern wissen, dass sie mit allen Fragen zum Leben als Familie in Zürich bei mir vorbeikommen können, dann ist es für mich auch einfacher mit den Eltern in Kontakt zu kommen, wenn wir sie für die Unterstützung ihrer Kinder in der Schule brauchen.

Ich bin zwar nicht für alle Fragen die richtige Fachperson. Jedoch bin ich gut vernetzt und habe eine Übersicht über das vielfältige Beratungs- und Unterstützungsangebot in der Stadt. Ausserdem ist eine Triage an die richtige Stelle oft verbindlicher, als wenn ich ihnen einfach die Adresse in die Hand drücken würde. Vieles handhabe ich unkompliziert und pragmatisch. Muss ein Telefonat mit einem Amt geführt werden, um etwas zu klären? Gerne können die Eltern dieses Telefonat bei mir im Büro führen und ich kann, wenn nötig und erwünscht, das Anliegen auch noch unterstützen oder bei sprachlichen Hürden mithelfen.

Manchmal stellt sich erst im Verlauf einer laufenden Beratung heraus, dass eine Mutter oder ein Vater sich zwar recht gut mündlich auf Deutsch verständigen kann, schriftlich aber schnell ansteht. Bisweilen ist die Scham darüber gross, weshalb die Lehrpersonen davon oft nichts wissen. Sie merken lediglich, dass die Eltern nur ungenügend auf Mails oder Briefe reagieren. Gerade im Fernunterricht, zu Zeiten des Lockdowns, war das ein Problem. Überhaupt fliessen aufgrund des Corona-Ausnahmezustands noch mehr schriftliche Informationen von der Schule zu den Eltern, wobei viele nicht mehr mitkommen. Wenn nun ich mit den betroffenen Eltern bereits eine gute Beziehung habe, weiss ich um ihre Schwierigkeiten und kann mit einem Telefonat das Wichtigste klären oder sie melden sich direkt selber mit ihren Fragen bei mir.

Die Anforderungen an die Elternschaft in unserer Gesellschaft sind hoch und die Umstände manchmal sehr komplex. Nicht alle Familien kommen da immer mit. Vielleicht wird ein Kind eingeschult, welches in einem sogenannten "reizarmen" Zuhause aufwächst. Die Bespielung mit dem Handy gehört da von klein auf wie selbstverständlich dazu. Farbstifte, Papier, Klebstreifen usw. sind aber vielleicht keine vorhanden.

Und was machen wir nun damit? Es nützt nichts, wenn ich dies für die Entwicklung der Kinder nur als Problem sehe.

Ich kann den Eltern in Gesprächen aber aufzeigen, welche Erfahrungen und Empfehlungen es im Zusammenhang mit Bildschirmzeit, Spielen und Interaktion mit Kindern gibt – vielleicht erachten die Eltern das eine oder andere auch für ihre Familie als hilfreich und umsetzbar.

Wenn bereits eine Beziehung besteht, ist auch eher ein offenes Gespräch über die Ansprüche und Schwierigkeiten, die Eltern erleben, möglich. Oft hilft es, wenn ich sie nach der eigenen Kindheit und den Wünschen frage, die sie für ihre Kinder haben. Dies regt manche Eltern zum Mitdenken an. Denn schlussendlich ist dies das Ziel. Im besten Fall finden sie meine Hinweise und Ideen interessant, vielleicht widersprechen sie mir auch und eine Diskussion entsteht, was ich sehr schätze und auch für mich immer wieder bereichernd ist. Dann können wir den kleinsten gemeinsamen Nenner in Bezug auf das Wohl und die Förderung des Kindes suchen und hierfür zusammenarbeiten.

Die Schulsozialarbeit ist in vielerlei Hinsicht nicht mehr aus dem Schulalltag wegzudenken. Sie ist eine Ressource zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule, in der Unterricht, Erziehung und Betreuung stattfinden. Das Wohl der Kinder steht im Zentrum ihrer Arbeit. Eine gute, wertschätzende und manchmal auch über den Tellerrand hinausgehende Zusammenarbeit mit den Eltern ist dafür ein wichtiges Puzzlestück.

 

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Champagner – wir haben etwas zu feiern! 28.02.2021

Blogbeitrag von Priska Fleischlin, Sozialarbeiterin MSc, IFSW UN Global Commissioner und praktizierende Sozialarbeiterin Heute gibt’s nichts zum Thema CoVid. Heute gibt’s für einmal etwas anders zu lesen. Für uns (auch du bist eingerechnet) Mitglieder des Weltverband Soziale Arbeit (IFSW) ist...

Blogbeitrag von Priska Fleischlin, Sozialarbeiterin MSc, IFSW UN Global Commissioner und praktizierende Sozialarbeiterin

Heute gibt’s nichts zum Thema CoVid. Heute gibt’s für einmal etwas anders zu lesen. Für uns (auch du bist eingerechnet) Mitglieder des Weltverband Soziale Arbeit (IFSW) ist der Weltsozialarbeiter*innentag (jeweils am 3. Dienstag im Monat März) ein ganz besonderer Tag. Dieses Jahr ist das Thema der über 140 nationalen Berufsverbände der Sozialen Arbeit: Ubuntu.

Jacob Rugare Mugumbate erklärte an einer Konferenz Ubuntu als eine sehr umfassende jahrhundertealte afrikanische Philosophie oder Lebensweise. Sicher hat Nelson Mandela die Bekanntheit von Ubuntu gestärkt, indem er wiederholt Ubuntu erklärt hat. Ubuntu ist aber in vielen Länder und unterschiedlichen Sprachen des afrikanischen Kontinents bekannt und meint: Ich bin, weil wir sind.

Ubuntu – alles klar?

Auf der ganzen Welt wird der Welttag der Sozialen Arbeit gefeiert. Das dazugehörige Plakat wird fortlaufend übersetzt. Am 15. Februar 2021 waren es bereits über 50 Sprachen! Also, es wird gefeiert, die Events werden geteilt, um so zu zeigen: wir sind hier, wir sind Sozialarbeitende. Vielleicht nur in einer kleiner Region tätig, aber verbunden mit über 3 Millionen Berufskolleginnen auf der ganzen Welt. Mit einer Definition über unsere Arbeit, mit einem Berufskodex und mit geteilten Grundlagenpapieren. Also eigentlich ganz im Sinne von Ubuntu: Ich bin, weil wir sind!

Jacob R. Mugumbate beschreibt folgende Inhalte von Ubuntu:

  1. Individuelle Ebene: Der Mensch, ich selber, mein Umfeld.
  2. Gemeinwesen: Geben und Nehmen, Reziprozität, Respekt, Freiwilligenarbeit (bzw. der Dienst an den anderen).
  3. Gesellschaft: Ökonomie, (politische) Führung, Freisetzung von Möglichkeiten.
  4. Umwelt/Natur: Das Erbe, auf dem wir unser Zuhause aufgebaut haben und das, was wir der nächsten Generation übergeben.
  5. Spirituell: Eine höhere Macht aber auch Ahnen, Helden die unsere Denkweise und unsere Träume prägen.

Nun könnte man in Versuchung kommen, noch mehr gehaltvolle Wörter zu dieser Aufzählung hinzufügen. Wörter, die wir schon zuhauf gehört haben und die wir in unserer täglichen Arbeit behandeln, wie etwa Soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte oder Würde.

Auch wenn mehrere Begriffe anklingen und Erinnerungen an die Theorien der Sozialen Arbeit wecken, so wäre es falsch, nun den schnellen Weg zu gehen und einfach unser Denken, unsere europäischen Theorien der Idee von Ubuntu überzustülpen.

Ubuntu in ein uns bekanntes Theorie-Konzept zu werfen, stünde diametral zu der Absicht des Jahresthemas der Sozialen Arbeit. Denn Ubuntu ermöglicht einen Einblick in nicht-westliche Modelle, was uns hierzulande einfach nur gut tut. Beispiel gefällig? Besonders bereichernd finde ich, dass Ubuntu die Verbundenheit und unauflösbare Vernetzung der ganzen Erde betont. Diese Verbundenheit gibt mir eine Verantwortung über das eigene Handeln und beschreibt im Begriff der Reziprozität die gegenseitige Beeinflussung aller Beteiligten. Dies kann innerhalb, aber auch zwischen den oben genannten fünf Bereichen mannigfaltig gedacht werden. Aber auch die Integration der Ebene der Natur und die Bezugnahme auf den spirituellen Kontext in durchaus wünschenswert.

Und wie feiert man nun Ubuntu?

In der Schweiz wird der Welttag der Sozialen Arbeit noch etwas weniger gefeiert. Oder habt ihr schon was geplant, bei der Arbeit, beim Regionalverband, bei – ach so, Corona! Aber etwas Aufmerksamkeit wäre vielleicht anders erreichbar. Könnte man vielleicht ein grosses Plakat ausdrucken? Eine Fahne machen lassen? Leitungspersonen könnten das Gemeinschaftswerk hervorheben, dass tagtäglich durch das ganze Team entsteht oder das Team könnte zusammen ‘Ubuntu’ feiern. Man könnte eine virtuelle Besprechung mit zuweisenden Stellen abhalten und Ideen zu ‘Ubuntu’ in der Zusammenarbeit besprechen. Wie wäre ein Traktandum an der Teamsitzung in der Woche vom 16. März oder im ganzen Monat März? Oder eine Teilnahme am virtuellen Event in Genf (17. - 18. März)?

Ubuntu wird für 2021/2022 das Thema der globalen Sozialen Arbeit sein. Dadurch sind wir frei, uns in den kommenden Monate vertieft mit dem Ansatz zu beschäftigen und weitere Möglichkeiten zu entwickeln, um Ubuntu im Alltag einzubringen. IFSW lädt ein, das Plakat zu verwenden, denn das Plakat gehört uns Sozialarbeitenden der ganzen Welt – ganz schön verbindend!

 

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50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht – logisch, oder? 04.02.2021

Gastbeitrag von Annina Grob, Co-Geschäftsleiterin von AvenirSocial anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Frauenstimm- und Wahlrechts in der Schweiz Diesen Monat wird das 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimm- und Wahlrechts in der Schweiz gefeiert. Geboren 1986, fühlt sich dieses Recht für mich selbstverständlich an. Der...

Gastbeitrag von Annina Grob, Co-Geschäftsleiterin von AvenirSocial anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Frauenstimm- und Wahlrechts in der Schweiz

Diesen Monat wird das 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimm- und Wahlrechts in der Schweiz gefeiert. Geboren 1986, fühlt sich dieses Recht für mich selbstverständlich an. Der Einführung des Frauenstimmrechts ging jedoch ein langer Kampf voraus. Um mehr über diese Zeit Anfang der 1970er Jahre zu erfahren, habe ich mit der heute 74-jährigen Rosmarie Dormann, Ehrenmitglied von AvenirSocial, gesprochen. 1987 wurde sie als eine der ersten Nationalrätinnen für die CVP Luzern gewählt.

«Nicht ganz normal». Diesen Satz musste sich Rosmarie Dormann anhören, als sie mit 25 Jahren an ihrem ersten Arbeitstag als Gemeindefürsorgerin, die damalige Bezeichnung für Sozialarbeiterin, amtete. Um die Ereignisse rund um die Änderung der Bundesverfassung einordnen zu können, muss eben dieser Gesamtkontext, das vorherrschende Familien- und Frauenbild betrachtet werden. Nicht ganz normal sei sie, weil jung und ledig. Solche oder ähnliche Reaktionen («Soziwiib!») waren zu dieser Zeit an der Tagesordnung. Das Bild von berufstätigen Frauen, gerade in der Sozialen Arbeit, war «haarsträubend» wie Rosmarie Dormann sagt. Die Luzernerin fand eher zufällig zur Politik. Es brauche eben noch Frauen auf der CVP-Liste. Mit dem Vermerk versehen: «Du hast ja eh keine Chance», stellte sie sich der Wahl. Ganz überraschend wurde Rosmarie Dormann dann doch gewählt und die CVP Luzern holte damit einen zusätzlichen Nationalratssitz. Ihr wurde wegen der Wahl die Stelle als Amtsvormundin gekündigt – dies offensichtlich aus Neid und Missgunst gewisser Männer.

Als sie am Ende der ersten Session zum ersten Mal für ein Votum zum Redner*innenpult schritt, wurde sie von einem Parteikollegen gemahnt: «Gib uns dann keine Blösse!».

Rosmarie Dormann kann über die gesamtgesellschaftliche Lage im Vorfeld der Abstimmung 1971 wenig berichten; sie war mitten in der Ausbildung und wohl auch noch (zu) wenig politisch aktiv. Jedoch kann sie umso mehr über die Stimmung gegenüber der ersten Generation Frauen in der Politik erzählen. Als sie am Ende der ersten Session zum ersten Mal für ein Votum zum Redner*innenpult schritt, wurde sie von einem Parteikollegen gemahnt: «Gib uns dann keine Blösse!». Vor allem ältere Männer taten sich schwer mit einer jungen, gut – ja sogar besser – ausgebildeten Frau. Rosmarie erlebte auch hautnah, wie politisches Engagement puren Hass schüren und zur Bedrohung werden kann. Beispielsweise wurde sie 1994 während der Abstimmungskampagne zur Antirassismus-Strafnorm, in der sie das Ja-Komitee präsidierte, aufs Übelste beschimpft und bedroht.

Rezept für heute: vorne hinstehen!

Was gibt sie jungen, politikinteressierten Frauen mit auf den Weg? Die Frauen müssen vorne hin stehen, sich gegenseitig unterstützen und zeigen, dass sie es können, sich nicht selbst unterschätzen. Und es braucht Vorbilder. Und Mut. Und eine Anekdote, die wohl an Gültigkeit nichts eingebüsst hat: «Wir [Frauen in der Politik] wünschten uns damals eine imprägnierte - keine dicke - Haut!».

Dass Frauen gleichberechtigt mitbestimmen müssen, steht für mich ausser Frage. Die späte Einführung des Frauenwahl- und Stimmrechts 1971 macht das jahrhundertelange Versäumnis nur etwas wett. Und obwohl sich heute (Schweizer) Frauen an den Wahlen und Abstimmungen beteiligen können, ist meiner Meinung nach, der Kampf für mehr Gleichstellung keinesfalls beendet. Zu stark sind die Ungleichgewichte in Politik und Verwaltung zu Ungunsten der Frauen, zu krass sind die strukturellen Diskriminierungen. Und diese feministischen Diskussionen sind für mich auch immer gepaart mit antirassistischen: so muss das tatsächliche Mitbestimmungsrecht von Menschen, die seit Jahren in der Schweiz leben, aber über keinen Schweizer Pass verfügen, endlich angepackt werden.

 

Dieser Blogbeitrag ist eine gekürzte Fassung des Artikels, welcher am 22. Februar 2021 in der Fachzeitschrift SozialAktuell erscheint.

Jetzt hast du vier Jahre studiert und bist als Jugendarbeiter am Pingpong spielen? 19.01.2021

Eine kleine Hymne auf die Jugendarbeit Blogbeitrag von Michael Koger, Sozialpädagoge HF und Leiter Fachstelle Jugend in einer Zürcher Gemeinde «Ah, sicher noch easy, so ein bisschen «töggele» und so!» Nicht allzu selten bekomme ich solche Kommentare zu hören, wenn...

Eine kleine Hymne auf die Jugendarbeit

Blogbeitrag von Michael Koger, Sozialpädagoge HF und Leiter Fachstelle Jugend in einer Zürcher Gemeinde

«Ah, sicher noch easy, so ein bisschen «töggele» und so!» Nicht allzu selten bekomme ich solche Kommentare zu hören, wenn ich den Leuten erzähle, was ich arbeite. Nämlich: In einem Jugendhaus, in einem Jugi, als Jugendarbeiter. Es kommt mir manchmal vor, als ob die Jugendarbeit in der Sozialen Arbeit etwas belächelt wird. Als wäre Jugendarbeit weniger anspruchsvoll als die anderen Arbeitsfelder. «Krass du bist Schulsozialarbeiter*in» oder «Wow, du arbeitest bei einer Beratungsstelle». Ich bin es müde, zu hören, wie sich die unterschiedlichen Arbeitsfelder in der Sozialen Arbeit zurzeit hypen. Als ich noch als sozialpädagogischer Familienarbeiter tätig war, war bekannt, dass auf eine ausgeschriebene Stelle oft mehrere hunderte Bewerbungen eintrafen. Familienbegleiter*in zu sein, ist chic! Das Bild vom selbständigen Familienbegleiter, der mit seinem Laptop und womöglich noch mit dem alten Rennrad durch die Stadt braust, scheint in den Köpfen vieler jüngeren Sozialarbeitenden verankert. Zugegeben: Es ist eine tolle Arbeit, trotzdem bin ich der Meinung, dass der Hype um gewisse Arbeitsfelder in der Sozialen Arbeit unnötig ist.

Die Anzahl Bewerbungen auf eine offene Stelle als Jugendarbeiter*in bewegt sich bei rund 30 Bewerbungen. Etwa 20 davon sind von Personen ohne Abschluss im Bereich der Sozialen Arbeit oder in einem verwandten Berufsfeld. Oft steht dann in der Bewerbung: «Ich habe einen total guten Zugang zu Jugendlichen, da ich selber auch zwei Kinder habe.» Okay. Ich habe auch einen total guten Zugang zum Geld und trotzdem lässt niemand sein Geld von mir verwalten. Ich habe auch einen total guten Zugang zu Beton und trotzdem lässt mich niemand eine Autobahnbrücke bauen. Viele Menschen scheinen den Eindruck zu haben, dass die Arbeit in einem Jugendhaus auch ohne Ausbildung und ohne entsprechende Berufserfahrung professionell geleistet werden kann.

Die Jugendarbeit ist nicht der Verschnitt der Sozialen Arbeit und es braucht sehr viele Kompetenzen, um in der Jugendarbeit professionell und erfolgreich sein zu können.

Spannend sind auch die Bewerbungen auf unsere ausgeschriebenen Praktika: Oft wird schon im Motivationsschreiben festgehalten, dass man nach der Ausbildung gerne als Schulsozialarbeiter*in tätig sein möchte. Dann - liebe Leute - sucht euch bitte ein Praktikum in der Schulsozialarbeit. Die Jugendarbeit ist nicht der Verschnitt der Sozialen Arbeit und es braucht sehr viele Kompetenzen, um in der Jugendarbeit professionell und erfolgreich sein zu können. Die Jugendarbeit setzt sich ernsthaft und echt mit den Jugendlichen auseinander. In einem Jugendhaus dürfen die Jugendlichen so sein, wie sie sind. Sie müssen nichts «leisten» und sie können alles ansprechen, ohne Angst, verurteilt, bewertet und an die nächste psychologische Beratung vermittelt zu werden. Das Jugendhaus ist ihre geschützte Oase. Oft höre ich Sätze wie: «Das sage ich jetzt dir aber sicher nicht irgendeinem Sozi oder Psychodingsbums!». Und das ist eben die grosse Chance der Jugendarbeit. Jugendarbeit ist so vielschichtig, wie sonst kaum ein Bereich in der Sozialen Arbeit. Die vielen Angebote, die in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen entstehen, wie Projekte, Partys, Jugendtreffs, Workshops, Sport und Tanz und noch vieles mehr, bieten eine sehr niederschwellige Möglichkeit, mit den Jugendlichen eine authentische, tragende Beziehung aufzubauen. Und an diese Beziehung erinnern sie sich noch mit 19 oder 20 Jahren, wenn es allenfalls wieder schwierig wird im Leben. Dann wissen sie, dass es da ein Jugendhaus gibt, in dem ihnen persönlich geholfen wird.

Die Tätigkeit erfordert viel Fachwissen und Kompetenzen

Gerade weil alles so vielseitig und niederschwellig ist, ist in der Jugendarbeit sehr viel Fachwissen gefragt. Wer im Jugendtreff tätig ist, muss Gesprächs- oder Beratungstechniken präsent haben. Wenn mit Gruppen gearbeitet wird, berücksichtigen wir die gruppendynamischen Prozesse. In den eins zu eins Gesprächen achten wir auf eine ressourcen- und lösungsorientierte Gesprächsführung und wenn jemand seine Bewerbung bei uns schreiben möchte, müssen wir auch in dem Bereich auf dem neusten Stand sein. Für das Tonstudio braucht es unglaubliche Skills im Bereich Musik und Technik. Bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum oder beim Renovieren im Jugendhaus ist handwerkliches Geschick gefragt. Das Leiten des Girls und Boys-Clubs fordert eine stetige Auseinandersetzung mit dem Thema Gender. Ein solides Wissen über Themen, die die Jugendlichen interessieren wie: Musik, Sexualität, Drogen, Sport und Politik ist eine Voraussetzung. Eine stetige Auseinandersetzung mit den aktuellsten sozialen Medien der Jugendlichen gehört schon fast zum Alltag. Dazu kommt, dass in der Jugendarbeit eine Flexibilität gefordert ist, wie ich sie noch selten erlebt habe.

Ich könnte noch lange über die Jugendarbeit schwärmen. Und ja, ich glaube, es wird nach wie vor oft nicht gesehen, welche vielfältigen Kompetenzen man als Jugendarbeiter*in braucht und wie anspruchsvoll diese Tätigkeit ist. Und ja: Es ist zwar unter anderem auch Töggelen und Billiard spielen mit den Jugendlichen, aber auch das muss zuerst einmal gelernt sein.

 

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Die Soziale Arbeit sichtbar machen 03.12.2020

Soziale Arbeit ist ein vielseitiger Beruf, wie ich sonst keinen kenne. Es gibt kaum einen Arbeits- oder Lebensbereich, der nicht mit den Themen der Sozialen Arbeit in Berührung kommt. Soziale Arbeit ist aber nicht nur bezahlte Arbeit, viel Engagement ist...

Soziale Arbeit ist ein vielseitiger Beruf, wie ich sonst keinen kenne. Es gibt kaum einen Arbeits- oder Lebensbereich, der nicht mit den Themen der Sozialen Arbeit in Berührung kommt. Soziale Arbeit ist aber nicht nur bezahlte Arbeit, viel Engagement ist auch freiwillig und ehrenamtlich. Die vielseitigen Tätigkeiten der Sozialen Arbeit sind für die Gesellschaft oft nicht sofort sichtbar. Ich habe zumindest noch nie gehört, dass jemand sagte, dieser Erfolg oder jene Veränderung sei von der Sozialen Arbeit erschaffen worden.

Vor rund 18 Monaten habe ich mit diesem Blog begonnen, weil es mir wichtig war, der Sozialen Arbeit eine Stimme zu geben. Soziale Arbeit ist so vielseitig und vielschichtig, dass es kaum einen Arbeitsbereich wie den anderen gibt. Die Soziale Arbeit ist so «farbig und bunt», wie es die Menschen und ihre Lebenssituationen sind.

Mit dem Schreiben dieses Blogs habe ich versucht, die Soziale Arbeit ganzheitlich zu erfassen. Gelungen ist mir das nicht, weil ich nicht jede Aufgabe der Sozialen Arbeit kenne. Ein Beispiel dafür ist die Sozialpädagogik. Vor mehreren Jahren habe ich in einer Institution ein Praktikum gemacht. Die aktuellen Themen aus dem Bereich der Sozialpädagogik sind mir heute aber nicht bekannt. Auch die Arbeitsbereiche zu den Themen Alter, Quartierarbeit, Jugendarbeit, Arbeitsagogik und viele mehr, sind mir fremd. Aus dem einen oder anderen Bereich habe ich Rückmeldungen via Mail oder auf privatem Wege erhalten. Diese haben mich immer sehr gefreut und mein Wissen zu verschiedenen Themen erweitert und sensibilisiert.

Soziale Arbeit ist ein vielseitiger Beruf, wie ich sonst keinen kenne. Es gibt kaum einen Arbeits- oder Lebensbereich, der nicht mit den Themen der Sozialen Arbeit in Berührung kommt.

Der Blog von der Sozialen Arbeit für die Soziale Arbeit und für alle anderen, hat für mich jedoch noch nicht das erreicht, was er meiner Erwartung nach erreichen sollte und zwar die Sichtbarkeit unserer vielseitigen Arbeit von Menschen für Menschen zu verbessern. In meinem ehrenamtlichen Engagement stelle ich fest, dass nur ein kleiner Teil unserer Gesellschaft weiss und versteht, was die Soziale Arbeit in ihrer Ganzheitlichkeit für die Menschen und das System beiträgt.

Herzlichen Dank und auf Wiedersehen!

Meine Wünsche sind manchmal gross, das weiss ich, aber ich werde nicht aufhören dafür zu kämpfen, dass die Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit mehr Anerkennung und Wertschätzung erhalten, im Besonderen in schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade erleben. Aus diesem Grund habe ich mich vor einigen Monaten entschieden, mich per nächstes Jahr Teil-Selbständig zu machen. Ich will versuchen, die Ressourcen der Sozialen Arbeit ganzheitlich in die Wirtschaft, Politik, Kampagnenarbeit etc. zu integrieren, indem ich mein Wissen an spezifische Auftraggebende als Dienstleistung verkaufe.

Diese Entscheidung hat zur Folge, dass ich den Blog «Soziale Arbeit bloggt» nicht weiterschreiben werde. AvenirSocial hat jedoch entschieden, den Blog weiter zu führen, um dieses wichtige Gefäss nicht zu verlieren. Ab Januar werdet ihr somit Texte von anderen Blogger*innen antreffen. Wer von euch Sozialarbeitenden hat ab und zu Zeit und Lust über seinen/ihren Arbeitsbereich und Engagement der Sozialen Arbeit zu schreiben? Wie ihr bereits in meinen Blogs feststellen konntet, sind keine wissenschaftliche oder theoretische Texte verlangt, sondern Erfahrungen und Erzählungen aus «dem Kopf, Herz und Bauch» aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit. Ich hoffe auf zahlreiche Rückmeldungen an blog@avenirsocial.ch.

Ich danke euch herzlich für das Lesen meiner Texte bei «Soziale Arbeit bloggt» und verabschiede mich somit aus meinem Amt der Bloggerin.

Herzlich Erika

Hilfe und Kontrolle 12.10.2020

Die Soziale Arbeit hat nebst dem Tripelmandat* ein sogenanntes Doppeltes Mandat von Hilfe und Kontrolle. Sozialarbeitende sollen benachteiligte Menschen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen unterstützen und zugleich kontrollieren, ob diese Menschen auch ihren Pflichten nachkommen, die von der Gesellschaft und Politik...

Die Soziale Arbeit hat nebst dem Tripelmandat* ein sogenanntes Doppeltes Mandat von Hilfe und Kontrolle. Sozialarbeitende sollen benachteiligte Menschen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen unterstützen und zugleich kontrollieren, ob diese Menschen auch ihren Pflichten nachkommen, die von der Gesellschaft und Politik erwartet werden. In einer der ersten Vorlesungen meines Studiums wurde erklärt wie das Doppelte Mandat von der Sozialen Arbeit zu verstehen ist. Doch wurde mir dessen Bedeutung erst richtig bewusst, als ich meine Arbeit bei einem Sozialdienst begonnen habe.

Je vielseitiger ich mich mit den Aufgaben des Sozialdienstes auseinandersetzte, desto mehr wurde mir klar, wie stark meine Hilfe zugleich eine Kontrolle ist. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, aus dem Bereich der Sozialhilfe auszusteigen und in einem anderen Bereich der Sozialen Arbeit neu anzufangen. Leider musste ich erkennen, dass ich mich in einer Sackgasse befinde, da jeder Bereich der Sozialen Arbeit dem Doppelten Mandat untersteht. Hinzu kommt, dass ich meine Arbeitsaufgaben in der wirtschaftlichen Sozialhilfe eigentlich gerne ausführe, weil ich auch die Rechte der Sozialhilfe beziehenden Menschen kenne und sie entsprechend beraten kann.

Je vielseitiger ich mich mit den Aufgaben des Sozialdienstes auseinandersetzte, desto mehr wurde mir klar, wie stark meine Hilfe zugleich eine Kontrolle ist.

Ich habe Soziale Arbeit studiert, weil ich den schwächeren und benachteiligten Menschen helfen wollte. Ich hatte das Bedürfnis, andere Menschen mit meinem Wissen und Können zu befähigen, sich selbst zu helfen. Ich wollte, dass es allen Menschen gleich gut ging. Eine Vorstellung wie im Märchen, ich weiss! Das Doppelte Mandat ist für mich zunehmend eine Zerreissprobe. Ich sitze täglich Menschen gegenüber, die sich oft unverschuldet in Not befinden. Die Menschen lehnen sich nicht zurück und hoffen auf Rettung, nein sie sind aktiv und kreativ. Sie wollen weg von der Sozialhilfe und versuchen sich mit verschiedenen Mitteln von der staatlichen Hilfe abzulösen. Mir sind oft die Hände gebunden, wenn es um finanzielle Unterstützung für deren Ideen und Wünsche geht. Die Bestimmungen in der Gesetzgebung sind sehr strikt und es wird nur jene Reintegration finanziert, die der Staat nach seinem Verständnis als zielführend anerkennt.

Die Aufgabe von Hilfe und Kontrolle setzt Pflichten und Grenzen zugleich

Doch wie das Doppelte Mandat von Hilfe und Kontrolle bereits sagt, muss ich nicht nur helfen sondern auch kontrollieren. In bestimmten Situationen werde ich zur Polizistin. Ich muss überprüfen, ob die Sozialhilfe beziehende Person ihrer Arbeitspflicht nachkommt, ob deren Arbeitsunfähigkeit abgeklärt und begründet ist und ob alle Einnahmen deklariert sind. Die Aufgabe von Hilfe und Kontrolle setzt mir Pflichten und zugleich auch Grenzen in meinen Unterstützungsmöglichkeiten. Ich kann und darf mich nicht vollumfänglich auf die Bedürfnisse der betroffenen Menschen einlassen, sondern muss mich auch immer am gesetzlichen Rahmen orientieren.

Die komplexe Herausforderung des Doppelten Mandates hat mich unter anderem dazu bewogen politisch aktiv zu werden. Ich erkannte, dass ich meinen Anspruch nach Gerechtigkeit nicht in den einzelnen Beratungen umsetzten konnte. In meinem politischen Engagement hingegen, kann ich mein Wissen über Hilfe und Kontrolle der Sozialen Arbeit bei übergeordneten und rechtsprechenden Diskussionen einbringen, thematisieren und Veränderung fordern. Auch wenn es mich oft ärgert, wie unwissend die Politik über die Praxis der Sozialen Arbeit ist, bin ich überzeugt, einzig auf diesem Weg im Doppelten Mandat etwas verändern zu können. Die Hilfe und Kontrolle sind so nahe beieinander und doch so unterschiedlich. Ich empfinde die Kontrolle mehrheitlich als stark überwiegend und die Hilfe als zu sehr reglementiert.

Die Balance zwischen Hilfe und Kontrolle ist für mich ein sehr belastendes Thema. Im Besonderen auch aktuell während der Corona-Krise, in der so manche Ungleichheit deutlich sichtbar wird. Ich versuche eigentlich immer alles Negative irgendwie positiv zu verwenden, aber bei Hilfe und Kontrolle will es mir nicht so recht gelingen. Wie macht ihr das in eurem Arbeitsalltag, dass euch das Doppelte Mandat nicht zerreisst?

Ich bin gespannt auf eure Rückmeldungen.

Herzlich

Erika

 

*Die Soziale Arbeit hat mit ihrem dritten Mandat, basierend auf der Grundlage von wissenschaftsbasiertem Professionswissen, der berufsethischen Basis sowie der durch die Menschenwürde begründeten Prinzipien der Menschenrechte, einen weitergehenden Auftrag. Das dritte Mandat impliziert nämlich, dass die menschliche Würde als eine Legitimationsbasis zu verstehen ist, die über legale Gesetze und bindende Verträge hinausweist und, wenn nötig, eigenbestimmte Aufträge durch die Professionellen der Sozialen Arbeit ermöglicht. Damit hat die Soziale Arbeit nicht nur ein effektives Handlungsinstrument zur Verfügung, sondern auch eine weitergehende Verpflichtung, sich mit begründeter Fachpolitik in öffentliche Diskurse und Politiken einzumischen und diese mitzugestalten. (Nach Silvia Staub-Bernasconi)

Bauchgefühl 27.08.2020

Soziale Arbeit ist eine Profession, sie bezieht sich auf Wissenschaften und Theorien. Aber wie funktioniert Soziale Arbeit eigentlich in der Praxis? Warum entscheiden Sozialarbeitende einmal so und ein andermal so? Auch wenn spezifische Fallsituationen einander noch so ähnlich sind, entscheiden...

Soziale Arbeit ist eine Profession, sie bezieht sich auf Wissenschaften und Theorien. Aber wie funktioniert Soziale Arbeit eigentlich in der Praxis? Warum entscheiden Sozialarbeitende einmal so und ein andermal so? Auch wenn spezifische Fallsituationen einander noch so ähnlich sind, entscheiden wir nicht immer gleich. Ein Handbuch gibt uns zwar gewisse Vorgaben, aber im Entscheid ist unser Bauchgefühl nicht unbedeutend.

Ich behaupte, dass schon jeder und jede von uns einmal einen Fall zu bearbeiten hatte, in dem man ein komisches Gefühl verspürte. Es lagen zwar Akten vor und diverse Abklärungen gab es auch schon, doch da war irgendwie noch irgendetwas unklar. Diese Wahrnehmungen genau in Worte zu fassen, ist sehr schwierig und teils auch heikel, weil es dazu keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Das unfassbare «Irgendetwas» nenne ich mein Bauchgefühl.

Das unfassbare «Irgendetwas»

Ich hatte lange Zeit Mühe mein Bauchgefühl zu akzeptieren und einzuordnen. Ich hatte einen inneren Konflikt mit meinem Wissen aus dem Studium, in welchem ich lernte, dass alles begründet und belegt sein muss. Ich war der Meinung, dass mein Gefühl in Herz und Bauch für meine sachliche und fachliche Arbeit nicht relevant sein darf. Mit dieser verinnerlichten Haltung habe ich lange Zeit mein Bauchgefühl unterdrückt.

Als ich in diesem Frühling mehrere Monate im Home Office arbeiten musste und mit meinen Klient*innen nur per Telefon und Mail in Kontakt war, machte sich mein Bauchgefühl wieder ganz deutlich bemerkbar. Für mich war während der Zeit des Lockdowns unter anderem die räumliche Distanz zu den Klient*innen eine grosse Herausforderung. Mein Bauchgefühl verwies oft und immer häufiger auf viele offene Fragen, die ich gerne direkt mit den Klient*innen in einem Gespräch besprochen hätte. All diese Bauchgefühle auszuhalten, empfand ich als sehr anstrengend. Es machte mich nervös nicht alles sofort klären zu können und der Umstand, dass die Kommunikation nur per Telefon oder Mail möglich waren, machte eine Klärung noch komplizierter.

Ich habe entschieden, meine starke Wahrnehmung der Gefühle zu akzeptieren und diese sachlich und fachlich zu nutzen. Meine Bauchgefühle wurden zu meinen persönlichen Inputs. Ich lernte diese besser zu verstehen, ernst zu nehmen und in Fragen zu formulieren.

Die Herausforderung dieser Zurückhaltung hatte aber auch was Gutes. Ich habe mich intensiv mit meiner Wahrnehmung im beruflichen wie auch privaten Kontext auseinandergesetzt. Ich habe dabei entschieden, meine starke Wahrnehmung der Gefühle zu akzeptieren und diese sachlich und fachlich zu nutzen. Meine Bauchgefühle wurden zu meinen persönlichen Inputs. Ich lernte diese besser zu verstehen, ernst zu nehmen und in Fragen zu formulieren.

Mein intensives Bauchgefühl hat mich dazu gezwungen, meine Selbstreflexion noch gezielter und bewusster anzuwenden. Nur mit einer Reflexion über mich selbst lernte ich meine Gefühle genau einzuordnen.

Das Bauchgefühl als Wegweiser

Mir war schon immer wichtig, dass ich mein Bauchgefühl nicht einfach als Tatsache verwenden und schon gar nicht den Klient*innen überstülpen wollte. Ich will meine Wahrnehmung klären und das gelingt mir meistens, indem ich meinem Gegenüber viele Fragen stelle. Fragen, die teils viel Mut erfordern, weil es oft Themen sind, über die wir nicht reden wollen. Mein Bauchgefühl wurde so zu meinem Wegweiser und öffnete mir Türen, die bisher verschlossen blieben. Ich scheue keine Themen mehr, ich spreche an, was ich bei anderen fühle und versuche zu klären und zu verstehen. Interessanterweise lag ich mit meinem Bauchgefühl bisher noch nie falsch. Wenn ich die Klient*innen auf meine Wahrnehmung ansprach und genau nachfragte, wurde mein Gefühl immer bestätigt.

Das Bauchgefühl ist aber nun mal keine Wissenschaft, es ist bei jedem Menschen individuell und auch genauso zu interpretieren. Ich finde es zum Beispiel sehr schwierig, dieses Gefühl glaubwürdig und nachvollziehbar in einen Fallbericht einfliessen zu lassen. Mir fehlt noch zu oft der Mut, eine Wahrnehmung mit meinem Bauchgefühl zu begründen und erklären, auch wenn ich sehr genau weiss, dass es richtig ist. Das Zusammenspiel von Wissenschaft, Theorie, Praxis und Bauchgefühl ist und bleibt meine grosse Herausforderung.

 

„Perspektiven – Studium“- Hochschulzugang für Geflüchtete 11.06.2020

Gastbeitrag von Ann-Seline Fankhauser, Co-Projektleiterin Perspektiven-Studium Seit 2016 setzt sich der Verband der Schweizer Studierendenschaften VSS mit dem Projekt Perspektiven-Studium für einen chancengerechten Hochschulzugang für studentische Geflüchtete in der Schweiz ein. An rund 20 Hochschulen gibt es heute studentische Initiativen...

Gastbeitrag von Ann-Seline Fankhauser, Co-Projektleiterin Perspektiven-Studium

Seit 2016 setzt sich der Verband der Schweizer Studierendenschaften VSS mit dem Projekt Perspektiven-Studium für einen chancengerechten Hochschulzugang für studentische Geflüchtete in der Schweiz ein. An rund 20 Hochschulen gibt es heute studentische Initiativen und Projekte, die Geflüchteten die Aufnahme bzw. die Fortsetzung eines Studiums in der Schweiz ermöglichen wollen. Die meisten dieser Projekte sind als Mentoring- und/oder Schnupperprojekte ausgestaltet. Studieninteressierte Geflüchtete können als Gasthörende Vorlesungen besuchen, teilweise Sprachkurse absolvieren und werden durch freiwillige Studierende im Rahmen eines Mentorings begleitet.

Die Projekte schaffen einen wichtigen Mehrwert in Bezug auf die soziale Integration und die Verbesserung der Sprachkenntnisse der Teilnehmenden. Zudem vermitteln sie Kenntnisse zum Schweizer Bildungssystem und ermöglichen eine Standortbestimmung und Chanceneinschätzung in Bezug auf den Studienwunsch. Doch an den unverhältnismässig hohen Hürden, denen Geflüchtete bei der Zulassung zu einem Hochschulstudium begegnen (ungenügende Diplomanerkennung, hohe Sprachanforderungen, Finanzierung, etc.), vermögen die wenigsten dieser Projekte etwas zu ändern. Es fehlt an institutioneller Unterstützung und konkreten Vorbereitungs- und Fördermassnahmen.

Mit Ausnahme des Projekts „Zugang für geflüchtete Menschen“ an der ZhdK, beschränkt sich das Engagement für studieninteressierte Geflüchtete an den Fachhochschulen unseres Wissens z. Z. auf die Initiativen einzelner Dozent*innen oder auf sur dossier Zulassungen in Einzelfällen. Weiter befinden sich an der ZHAW und an der HKB Studierendeninitiativen im Aufbau.

 

Relevanz für die Soziale Arbeit

Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen und zu fördern, ist ein Grundanliegen der Sozialen Arbeit. Aber auch Zugänge zu sämtlichen relevanten Gesellschaftsbereichen für alle zu schaffen und wo nötig eine Veränderung der Rahmenbedingungen zu erwirken, liegen im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit.

Bislang ist Perspektiven-Studium leider keine Hochschule der Sozialen Arbeit bekannt, die sich mit einem Projekt für den erleichterten Hochschulzugang für Geflüchtete engagiert. Dabei würden gerade gut ausgebildete Menschen mit Migrationserfahrung einen grossen Mehrwert für die Praxis der Sozialen Arbeit insbesondere im Migrations- und Integrationsbereich mitbringen. Aber auch die Regulärstudierenden könnten von Mentoringprojekten für Geflüchtete an Hochschulen profitieren. Denn diese bieten die Möglichkeit, sich in Bezug auf ein konkretes gesellschaftliches Problem zu engagieren und sich wertvolle Praxiserfahrungen und Kompetenzen anzueignen.

Bislang ist Perspektiven-Studium leider keine Hochschule der Sozialen Arbeit bekannt, die sich mit einem Projekt für den erleichterten Hochschulzugang für Geflüchtete engagiert. Dabei würden gerade gut ausgebildete Menschen mit Migrationserfahrung einen grossen Mehrwert für die Praxis der Sozialen Arbeit insbesondere im Migrations- und Integrationsbereich mitbringen.

Die Hochschulen für Soziale Arbeit in der Deutschschweiz taten sich aber in Zusammenhang mit der Thematik vielmehr durch eine für Geflüchtete praktisch unüberwindbare Hürde bei der Studienzulassung hervor, lag doch die Sprachanforderung beim höchstmöglichen Niveau C2. Dass die Fachhochschulen nun – aufgrund eines Entscheids der Konferenz der Fachhochschulen für Soziale Arbeit (Sassa) - ihre Reglemente diesbezüglich ändern werden, ist dem hartnäckigen Willen einer jungen Palästinenserin und dem Heks MosaiQ Ostschweiz zu verdanken. Mit einem C1 bleiben die Sprachanforderungen weiterhin sehr hoch und auch höher als in der französischsprachigen Schweiz, wo Sprachkenntnisse auf Niveau B2 meist genügen.

 

Studierendenprojekt «Integral»

Studierende der Sozialen Arbeit an der FHNW haben im Rahmen eines Studierendenprojektes ein Konzept erarbeitet, um den Hochschulzugang für studentische Geflüchtete an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW zu erleichtern und sie auf ihrem Weg zu einem Studium zu begleiten.

Das Projekt «Integral» sieht verschiedene Unterstützungsmassnahmen für studentische Geflüchtete vor. Im Rahmen eines einjährigen Hinführungsstudiums werden die sprachlichen Kompetenzen gefördert und erste Module in der gewünschten Studienrichtung besucht, wobei die erworbenen ECTS-Punkte bei einem Übergang ins reguläre Studium angerechnet werden können. Freiwillige Studierende begleiten sie als Mentor*innen in Studiums- und Alltagsfragen. Eine Vermittlungsstelle unterstützt die geflüchteten Personen in den unterschiedlichen Phasen des Studienprozess. Sie stellt Informationen zum Studium bereit, organisiert und vermittelt Kontakte zur Studienfinanzierung und bietet Hilfe beim Aufnahme- und Qualifikationsverfahren.

Das Projekt beinhaltet aus Sicht von Perspektiven-Studium alle relevanten Elemente, um qualifizierten Geflüchteten die Aufnahme oder Fortsetzung eines Hochschulstudiums in der Schweiz zu ermöglichen: qualifizierende Fördermassnahmen und Sprachangebote, die an ein reguläres Hochschulstudium heranführen; Information und Unterstützung im Zulassungsprozess; und die Berücksichtigung auch von nicht-dokumentierten Fähigkeiten und Kompetenzen. Zudem begünstigt das Mentoring die soziale Integration und ermöglicht es den Mentor*innen praktische Erfahrungen zu sammeln und sich die Leistungen als ECTS-Punkte im Rahmen eines Wahlmoduls anrechnen zu lassen.

„Die Idee von «Integral» ist so konzipiert, dass sie an verschiedenen Hochschulen eingesetzt werden kann und baukastenartig bestehende Lücken beim Hochschulzugang für studentische Geflüchtete schliesst“, schreiben die Studierenden. Sie verstehen ihr Projekt als Möglichkeit, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sich für die Verwirklichung von Chancengleicheit und Schutz vor Diskriminierung im Hochschulraum einzusetzen und das vorhandene Potenzial geflüchteter Personen, sowie die Anerkennung von Diversität als wertvollen Bestandteil der Gesellschaft zu fördern.

In einem nächsten Schritt wollen sie im Rahmen eines Pilotprojekts versuchen, das Erarbeitete in die Praxis umzusetzen. Hierfür sind sie jedoch auf institutionelle Unterstützung und die Mitarbeit von Entscheidungsträger*innen innerhalb der Hochschulen angewiesen. Gegenüber der Fachhochschule Nordwestschweiz gilt es nun zu verdeutlichen, dass das vorliegende Projekt die Diversität und damit eine der Zielsetzungen der FHNW stärkt und weiterentwickelt.

Interessierst Du Dich für «Perspektiven-Studium» oder für das Projekt «Integral»? Dann kontaktiere uns über perspektiven-studium@vss-unes.ch

Der Blog wiederspiegelt die persönlichen Haltungen der BeitragsautorInnen.