Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz

Schöne technologisierte Welt

Schöne technologisierte Welt 03.01.2023

Blogbeitrag von Anne Uphoff, Masterstudentin an der FHNW und Leiterin für Projekte mit Fokus auf die Stärkung des Sozialraums und der Generationensolidarität. Dieser Beitrag entstand als Reaktion auf die International Summer School 2022 an der Alice Solomon Hochschule in Berlin...

Blogbeitrag von Anne Uphoff, Masterstudentin an der FHNW und Leiterin für Projekte mit Fokus auf die Stärkung des Sozialraums und der Generationensolidarität. Dieser Beitrag entstand als Reaktion auf die International Summer School 2022 an der Alice Solomon Hochschule in Berlin mit dem Thema „Digitization, Artificial Intelligence and Responsibility of Sciences“, an der leider keine Person aus der Sozialen Arbeit referierte.

Ein Blick in die technologisierte Zukunft

Der Megatrend Digitalisierung breitet sich rasant aus und verändert alle Lebensbereiche fundamental. Dabei wird Technik zunehmend allumfassend und betrifft alle Menschen direkt oder zumindest indirekt (vgl. Schmiedchen 2021: 15). Allert et al. (2017: 9) diagnostizieren diese Veränderung als eine immer engmaschigere „Verstrickung von Mensch, digitaler Technik und Gesellschaft“. Neuartige Informationstechnologien verbleiben nicht nur mehr im „Aussen“, sondern rücken dem menschlichen Individuum zunehmend „zu Leibe“ und wandern auch in das Innere der Körper. Dort ergänzen oder ersetzen Technologien biologische Funktionen und sogar Organe (vgl. Brunner 2021: 1).

In nicht allzu ferner Zukunft wird mit Praktiken wie Mind Uploading experimentiert werden. Andere Aspekte hingegen, wie die Erforschung universeller künstlicher Intelligenzen oder bio-technologische Entwicklungen befinden sich bereits heute in einem voranschreitenden Prozess.

Dieser digitale Transformationsprozess ist längst nicht abgeschlossen, sondern wird sich mit Hochgeschwindigkeit weiterentwickeln und könnte eine Auflösung der Grenzen zwischen Mensch und Technik nach sich ziehen, wie sie bisher in dieser Art und Weise noch zu keinem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte erfahren wurde.

Visionen einer technologischen Entwicklung des Menschen

Mit dieser digitalen Transformation verbundenen möglichen Veränderungen des Menschen werden insbesondere in trans- und posthumanistischen Konzepten thematisiert, wobei sich diese vor allem hinsichtlich ihres Menschenbildes unterscheiden. So folgt etwa der technologische Posthumanismus der Ansicht, dass die absolute menschliche Schöpfung in Form der singularen Superintelligenz und ihre dann ohne menschliches Zutun geschaffenen „Nachkommen“ den Planeten regieren werden; nicht jedoch der Mensch selbst (vgl. Loh 2018: 123). Diese Vorstellung führt wiederum zu der normativen Forderung nach einer vollständigen Überwindung der Menschheit durch technologische Erfindungen. Selbstredend sollte es seitens der Sozialen Arbeit kategorisch abgelehnt werden, dass die Menschheit in ihrer biologischen Evolution überwunden und durch eine künstlich erschaffene Lebensform ersetzt werden soll.

Im Gegensatz dazu legt der Transhumanismus die humanistische Grundposition nicht ab und strebt an, das menschliche Leben und Wohlergehen durch technologische Entwicklungen zu verbessern sowie körperliche Potenziale zu erweitern (vgl. ebd.: 43). Gewiss sind auch in transhumanistischen Zukunftsvisionen neue soziale Probleme zu erwarten. Diese betreffen etwa Fragen der Gerechtigkeit und Ermöglichung von Teilhabe an lebensverbessernden respektive -verlängernden Massnahmen oder Gefahren der Diskriminierungen durch Algorithmen.

Soziale Arbeit sollte sich jedoch frühzeitig mit den bevorstehenden Entwicklungen auseinandersetzen, um die Einflüsse technologischer Veränderungen auf die Gesellschaft mitgestalten zu können und nicht nur ihre weitreichenden und womöglich gravierenden sozialen Problemlagen aufzuarbeiten.

Worin liegt die Verantwortung der Sozialen Arbeit?

Als Menschenrechtsprofession ist die Soziale Arbeit gefordert, den technologischen Wandel aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen und der damit verbundenen Konsequenzen für das Wohlbefinden der Menschen zu einem zentralen Gegenstand von Praxis, Theoriebildung und Ausbildung zu machen. Bisher nimmt die Profession diese Verantwortung noch nicht in einem ausreichendem Masse wahr, denn das Verhältnis von Technik und Profession zeigt sich einstweilen höchst ambivalent, obwohl die Auswirkungen der technologischen Entwicklung in vielen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit und im persönlichen Alltag der Fachkräfte sehr wohl präsent sind: „So kann im Wesentlichen von einer – zwischen Technikeuphorie und -skepsis changierenden – Techniknaivität der Praxis und einer parallelen Technikblindheit der Forschung in der Sozialen Arbeit gesprochen werden“ (Kutscher et al. 2015: 6). Dementsprechend präsentieren sich die Kompetenzen von Sozialarbeitenden noch immer so heterogen wie die Aufgabenfelder Sozialer Arbeit selbst und einer Vielzahl von Fachpersonen fehlt es schlichtweg an Kenntnissen und Interesse hinsichtlich technologischer Neuerungen. Infolgedessen wird trans- und posthumanistischen Debatten seitens der Sozialen Arbeit derzeit noch kaum Beachtung geschenkt und erst recht mangelt es an einer aktiven Mitgestaltung des Diskurses zu ethischen Aspekten der technologischen Neuerungen.

 

Literaturangaben:

  • Allert, Heidrun/Asmussen, Michael/Richter, Christoph (2017). Digitalität und Selbst: Einleitung. In Allert, Heidrun/Asmussenm Michael/Richter, Christoph (Hg.). Digitalität und Selbst. Interdisziplinäre Perspektiven auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse Bielefeld: transcript. S. 9–23.
  • Brunner, Alexander (2021): Soziale Arbeit in der Perspektive von trans- und posthumanistischen Diskursen. In: Freier, Caroline /König, Joachim/Manzeschke, Arne/Städtler-Mach, Barbara (Hg.). Gegenwart und Zukunft sozialer Dienstleistungsarbeit. Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Sozialwirtschaft. Reihe: Perspektiven Sozialwirtschaft und Sozialmanagement. Wiesbaden: Springer VS. S. 433-446.
  • Kutscher, Nadia/Ley, Thomas/Seelmeyer, Udo (2015). Mediatisierung (in) der Sozialen Arbeit. In: Kutscher, Nadia/Ley, Thomas/Seelmeyer, Udo (Hg.). Mediatisierung (in) der Sozialen Arbeit Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 3-15.
  • Loh, Janina (2018). Trans- und Posthumanismus zur Einführung. Hamburg: Junius.
  • Schmiedchen, Frank (2021). Wer handeln will, muss Grundlagen und Zusammenhänge verstehen - Eine Einleitung. In: Schmiedchen, Frank/Kratzer, Klaus P./Link, Jasmin S. A./Stapf-Finé, Heinz (Hg.). Wie wir leben wollen: Kompendium zu Technikfolgen von Digitalisierung, Vernetzung und Künstlicher Intelligenz. Berlin: Logos Verlag. S. 11-21

 

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