Handlungsmöglichkeiten für Organisationen
10 konkrete Praxisbeispiele wie Arbeitsbedingungen in Organisationen verbessert werden können
Warum sich AvenirSocial dazu äussert
Im Rahmen des Schwerpunktthemas «Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit» 2022 – 2024 engagiert sich der Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, AvenirSocial, auf unterschiedlichen Ebenen. Neben der Organisation und Stärkung der angestellten Fachpersonen und den Forderungen auf politischer Ebene, sind auch Führungspersonen in Organisationen im Bereich der Sozialen Arbeit gefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Arbeitsbedingungen zu sorgen, die es ihren Mitarbeitenden ermöglichen, im Sinne des Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz zu arbeiten. Artikel 13.3. hält fest, dass sich Fachpersonen dafür einsetzen, dass ihre Organisation Arbeitsverhältnisse bereitstellt, die die Integrität und die Gesundheit der Angestellten schützen. Die Arbeitsbedingungen müssen die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung der Qualität der Organisation ermöglichen.
Führungspersonen, die aufgrund der anhaltenden Professionalisierung immer häufiger ebenfalls über eine Ausbildung in Sozialer Arbeit verfügen, befinden sich an der Schnittstelle zwischen den Fachpersonen und den Trägerschaften. Entsprechend bearbeiten sie die daraus entstehenden Spannungsfelder. Diese Plattform soll allen Fachpersonen, aber insbesondere jenen in leitenden Positionen, möglichst konkrete Handlungsoptionen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen (nach Artikel 13.3. des Berufskodex) innerhalb ihrer Organisationen aufzeigen. AvenirSocial ist überzeugt, dass wir die dringend notwendigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nur erreichen, wenn sich Fachpersonen organisieren und für ihre Rechte einstehen, Führungspersonen ihren Handlungs-spielraum nutzen und die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden.
Diese Plattform beinhaltet verschiedene konkrete Beispiele, wie in verschiedenen Organisationen der Sozialen Arbeit, die Bedingungen in den letzten Jahren für die Mitarbeitenden verbessert wurden. Auch wenn die Beispiele aus einzelnen Institutionen stammen, sind wir überzeugt, dass sie eine gewisse Allgemeingültigkeit haben und in der einen oder anderen Form in jeder Organisation umsetzbar sind. In den Abschnitten zu den konkreten Praxisbeispielen, werden diese einzeln genauer beschrieben: Welche Möglichkeiten bieten die Beispiele und wie kann man sie in der eigenen Organisation umsetzen.
Diese Plattform ist folgendermassen aufgebaut: In der Ausgangslage werden die Hintergründe für das Engagement von AvenirSocial und dieses Dokument genauer beschrieben. Danach folgen die konkreten Ideen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in deiner Organisation. Anschliessend zeigen wir dir auf, welche Verantwortung du als Führungsperson hast und wie du deine Entscheide zur Veränderung der Arbeitsbedingungen fachlich und berufsethisch begründen kannst. Abschliessend wird der Handlungsbedarf noch einmal zusammengefasst.
Bei der Entstehung der Beispiele haben verschiedene Fachpersonen mit Leitungsfunktion mitgearbeitet. Es wurden Interviews mit folgenden Personen geführt (Arbeitsort bei der Durchführung der Interviews im Sommer 2022):
- Doris Egloff, Hauptabteilungsleitung Sozialberatung, Stadt Winterthur
- Mandy Hoffmann, Stiftung Lebensart, Leitung dezentrales Wohnen
- Thomas Michel, Leitung Abteilung Soziales Stadt Biel,
- Sacha Studer Mösch, Bereichsleitung Soziokultur, Altes Spital Solothurn
- Mariette Zurbriggen, Leitung Berufs- und Personalentwicklung, Artiset
Ausgangslage
Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit
Die gültigen arbeitsrechtlichen Grundlagen je nach Anstellungsverhältnis variieren stark. Deshalb hat AvenirSocial die Broschüre Arbeitsrechtliche Grundlagen für die Soziale Arbeit in der Schweiz veröffentlicht, damit Fachpersonen die für sie gültigen Gesetze kennen. In dieser Broschüre wird insbesondere auf die Unterschiede zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Anstellungen eingegangen. Auch in den Interviews mit Führungspersonen kamen die Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Institutionen auf die Handlungsspielräume zur Sprache.
Aufgrund der Vorarbeiten zu diesem Dokument wurde ersichtlich, dass die arbeitsrechtlichen Grundlagen in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit ungenügend sind. Im Besonderen zeigt sich dies bei Sozialpädagog*innen in Heimen, die von den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind (Art. 3, lit. e ArG). Welche Konsequenzen dies in der Praxis hat, wird in der Broschüre zu Arbeitszeit, Ruhezeit und Entlöhnung bei Pikett- und Bereitschaftsdienst in der Sozialen Arbeit in der Schweiz aufgezeigt.
Werden Verbesserungen der gesetzlichen Grundlagen angestrebt, muss dies über politische Prozesse angegangen werden. Ob es dabei zu Änderungen kommt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Fachliche Argumente werden dabei zwar angehört, sind aber nicht allein ausschlaggebend, da nur wenige Fachpersonen teil politischer Entscheidungsgremien sind und bei der Entscheidungsfindung neben fachlichen auch normative Argumente eine Rolle spielen. Um auch kurzfristig Arbeitsbedingungen verändern zu können ist es wichtig, dass Institutionen wo immer möglich den Spielraum, den sie bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen haben, nutzen. Es ist gesetzlich verboten, Arbeitsbedingungen zu Ungunsten der Arbeitnehmenden zu haben. Solche zum Wohle der Arbeitnehmenden dürfen, ja müssen weiter ausgebaut werden.
Dies akzentuiert sich aktuell aufgrund des immer akuteren Fachkräftemangels in einigen Bereichen der Sozialen Arbeit (IWSB 2016, S.62). Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kann mithelfen, die je nach Arbeitsfeld sehr hohe Fluktuation zu bremsen und mitzuverhindern, dass qualifizierte Fachpersonen in andere Arbeitsbereiche abwandern (IWSB, 2016, S.62) oder ausbrennen.
Immer mehr Organisationen wenden sich an AvenirSocial mit der Frage, was gegen den Fachkräftemangel zu tun sei. In den folgenden Kapiteln werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie schnell und unabhängig von politischen Entscheidungen Arbeitsbedingungen auf institutioneller Ebene verbessert werden können.
Die Ebene der Organisationen
Wie bereits erwähnt besteht insbesondere auf der Ebene der Organisationen viel Potential, um rasch auf ungenügende Arbeitsbedingungen reagieren zu können. Daneben braucht es auch ein starkes gemeinsames Engagement aller Fach-personen und Organisationen, um längerfristig bessere gesetzliche Grundlagen zu schaffen und den Organisationen mehr Ressourcen zu ermöglichen.
Organisationen der Sozialen Arbeit zeichnen sich durch eine grosse Diversität aus. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Grösse der Organisationen. Von der sozialpädagogischen Familie mit einigen wenigen angestellten Fachpersonen, bis zur Institution mit mehreren hundert Fachpersonen in unterschiedlichsten Arbeitsfeldern. Von nine-to-five Arbeitstagen bis zu 30h-Schichten sind auch die Arbeitszeiten und -formen sehr unterschiedlich. Auch die Finanzierung und die Rechtsform von Organisationen können sehr unterschiedlich sein (AvenirSocial, 2021, S. 4).
Dies erschwert es allgemeine Aussagen zu den Handlungsmöglichkeiten von Organisationen zu machen. Deshalb ist es wichtig, verschiedenen Beispiele aufzuzeigen, die in unterschiedlichen Kontexten in unterschiedlicher Form eingeführt werden können. Organisationen haben innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen und den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen immer einen Handlungsspielraum zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen.
Eine von Masterstudierenden[1] der FH Ost 2021 im Rahmen des Studiums und in Auftrag von AvenirSocial durchgeführten Analyse zu organisationalen Faktoren zur Entlastung von Fachpersonen der Sozialen Arbeit zeigte die grosse Breite an Möglichkeiten auf, mit denen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Fachpersonen entlastet werden können. Auf diesen Erkenntnissen und denen aus der von AvenirSocial finanzierten Studie der FHNW zur Arbeitsbelastung von Fachpersonen während der Coronapandemie (Sommerfeld, Hess & Bühler, 2021) beruhend, kann die Notwendigkeit dieses Dokument zusätzlich gestützt werden.
Als Grundsatz für die folgenden Ausführungen ist es AvenirSocial wichtig festzuhalten, dass wir nicht mit dem Finger auf alle Unzulänglichkeiten in Organisationen zeigen wollen, sondern konkret mit Beispielen aufwerten, wie handlungsfähig Organisationen bei Arbeitsbedingungen sein können.
Handlungsmöglichkeiten von Führungspersonen
Mit ein Grund warum sich AvenirSocial mit diesem Dokument zum ersten Mal an Arbeitgebende bzw. Führungspersonen richtet, ist, dass aus unserer Sicht dank der voranschreitenden Professionalisierung in der Sozialen Arbeit immer mehr Führungspositionen von Menschen mit Ausbildung in Sozialer Arbeit besetzt werden können. Diese Entwicklung begrüsst AvenirSocial sehr. Jede Fachperson befindet sich je nach Funktion mehr oder weniger in den Spannungsfeldern zwischen ihren Mandaten (AvenirSocial, 2011, S. 47). Fachpersonen in Führungspositionen müssen oft Entscheidungen treffen, die diese Spannungsfelder betreffen. Sie haben also im besonderen Masse einen Einfluss darauf, ob es ihren Mitarbeitenden möglich ist, die Grundsätze des Berufskodex einzuhalten. Im Abschnitt zur Verantwortung wird noch genauer ergründet, welche Verpflichtungen für Führungspersonen sich aus dem Berufskodex ableiten lassen.
[1] Herzlichen Dank an Anna Tzourbakis und Prisca Hutter für ihre Modularbeit 2022 im Auftrag von AvenirSocial: Organisationale Faktoren zur Entlastung von Fachpersonen der Sozialen Arbeit.
Über die Praxisbeispiele
Für AvenirSocial ist es unerlässlich, dass sich zur nachhaltigen Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit die Rahmenbedingungen für Institutionen ändern. Das können zum Beispiel die Verbesserung der arbeitsrechtlichen Grundlagen und mehr Ressourcen zur Erfüllung des Auftrags sein. Denn «fast alle berufsbedingten Ausstiegsgründe werden mit (knappen) Personal- und Zeitressourcen in Verbindung gebracht» (OBS EHB, S.5).
Solche Veränderungen brauchen Zeit und sind auf den politischen Willen der Gesellschaft angewiesen. Es ist wichtig, den vorhandenen Handlungsspielraum so gut wie möglich zu nutzen. Die im folgenden beschriebenen Praxisbeispiele zeigen, wo solche Spielräume vorhanden sind, auf was dabei zu achten ist und wie diese Räume genutzt werden können. Es handelt sich um Massnahmen, die von verschiedenen Führungspersonen in ihren Institutionen konkret umgesetzt wurden und zu einer positiven Entwicklung für die angestellten Fachpersonen beigetragen haben. Zusätzlich untermauert werden die Praxisbeispiele mit der im vorherigen Kapitel erwähnten Arbeit von Masterstudierenden der FH Ost, die die hier erwähnten Massnahmen als Möglichkeiten zur Entlastung von Fachpersonen festhält.
Wie die Studie des Schweizerischen Observatorium für die Berufsbildung im Auftrag von SAVOIRSOCIAL (S.6) festhält, gibt es eine « […] breite Palette an Handlungsmöglichkeiten […], die wirksam sein können, um die Personalsituation im Betreuungsbereich zu optimieren. Die Handlungsmöglichkeiten liegen sowohl in sozialen und intrinsischen als auch in extrinsischen Motivationen wie Lohn und Anerkennung und der Gestaltung der Arbeitszeiten.»
Die folgenden 10 Praxisbeispiele werden in einem ersten Teil umschrieben. Es werden verschiedene Voraussetzungen für das Gelingen der Beispiele aufgezeigt, die zu unterschiedlichen positiven Effekten führen können. Die dargestellten Stolpersteine, sollten bei der Umsetzung der Beispiele berücksichtigt werden. Die Quellen und Links können schliesslich helfen, die einzelnen Ideen zu vertiefen. Diese Ausführungen sollen als Anregungen für die Praxis gelesen werden. Sie haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und basieren auf qualitativen Interviews mit ausgelesenen Führungspersonen der Sozialen Arbeit. Die Beispiele wurden thematisch zusammengeführt und nach Priorität aus Sicht des Berufsverbands angeordnet.
Die 10 Praxisbeispiele
Für bessere Arbeitsbedingungen einstehen | |
Sinnstiftung fördern | |
Flexibilisierung der Arbeitszeit | |
Verantwortung an Mitarbeitende übergeben | |
Einarbeitungszeit und Fachlicher Austausch |
Berufspolitisches Engagement ermöglichen |
Unbezahlten Urlaub ermöglichen |
Von Mitarbeitenden gestaltete Teamzeit |
Standardisierung der MA-Führung |
Digitalisierung – Systeme zusammenführen |
Verantwortung von Führungspersonen
Wie in den Praxisbeispielen aufgezeigt, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie Führungspersonen innerhalb ihrer Institutionen die Arbeitsbedingungen verbessern können. Doch weshalb sollen sie das überhaupt tun? Oft führt erst die erschwerte Suche nach Personal dazu, dass Massnahmen ergriffen werden. Fachpersonen der Sozialen Arbeit haben eine Verpflichtung aufgrund ihrer Profession, ihren Handlungsspielraum zu nutzen. Dieser lässt sich einerseits aus dem Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz und aus der Managementliteratur ableiten.
Führungspersonen, genauso wie alle Fachpersonen der Sozialen Arbeit, sind verschiedenen Spannungsfeldern ausgesetzt. Sie bewegen sich dabei oft in einer verbindenden Position zwischen Träger*innenschaften − Auftrag- und Geldgebenden und Fachpersonen, die direkt mit Adressat*innen arbeiten. Sie müssen die verschiedenen Interessen gewichten und versuchen, sie miteinander zu verbinden. Dabei ist die Macht einseitig auf Seiten der Auftraggebenden verteilt. Diesem Machtungleichgewicht müssen Führungspersonen versuchen Rechnung zu tragen, in dem sie den Auftrag aus dem dritten Mandat, den Auftrag der Profession in die Waagschale werfen.
Verantwortung anhand des Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz
AvenirSocial geht davon aus, dass Führungspersonen in Organisationen im Bereich der Sozialen Arbeit über eine tertiäre Ausbildung in Sozialer Arbeit verfügen. Entsprechend sind sie dem 3. Mandat und dem Berufskodex verpflichtet. Zudem sind sie verantwortlich dafür, dass es ihren Mitarbeitenden möglich ist, ihre Arbeitstätigkeit nach den Prinzipien des Berufskodex auszuüben. So hält der Berufskodex fest, dass Organisationen, in denen Fachpersonen der Sozialen Arbeit tätig sind, zu seiner Zielgruppe gehören (Art. 2).
Folgende Artikel des Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz sind für Führungspersonen besonders beachtenswert:
5.10.
Soziale Arbeit ist einem dreifachen Mandat verpflichtet: (1) dem Doppelmandat von Hilfe und Kontrolle seitens der Gesellschaft und der Anstellungsträger, (2) dem impliziten oder offen ausgesprochenen Begehren seitens der Menschen, die Soziale Arbeit nutzen und (3) seitens der Sozialen Arbeit dem eigenen Professionswissen, der Berufsethik und den Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Dieses dritte Mandat steuert Professionelle der Sozialen Arbeit durch mögliche Konflikte zwischen dem ersten und dem zweiten Mandat.
Auch Führungspersonen sollten sich bei Konflikten am dritten Mandat orientieren.
7.1
Die Profession Soziale Arbeit fördert den sozialen Wandel, Problemlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von Menschen mit dem Ziel, das Wohlbefinden der einzelnen Menschen anzuheben.
Institutionen im Bereich der Sozialen Arbeit müssen das Ziel haben sozialen Wandel zu fördern.
11.4
Die Professionellen der Sozialen Arbeit sind sich ihrer Positionsmacht bewusst und gehen damit sorgfältig um.
Die Sorgfaltspflicht gilt auch für Führungspersonen gegenüber ihren Mitarbeitenden.
13.1
Die Professionellen der Sozialen Arbeit verpflichten sich gegenüber ihren Arbeit-gebenden zur sorgfältigen Erfüllung ihrer Aufgaben gemäss den Normen und Prinzipien des Berufskodexes und setzen sich dafür ein, dass diese von der Organisation, in der sie arbeiten, respektiert und eingehalten werden.
13.2
Die Professionellen der Sozialen Arbeit sprechen allfällige Zielkonflikte oder ethische Differenzen zwischen ihnen und der Organisation, in der sie arbeiten, an und versuchen, im Sinne des Berufskodexes Lösungen zu finden. Sie pflegen und fördern in ihrer Organisation den Dialog über die Ethik Sozialer Arbeit.
13.3
Die Professionellen der Sozialen Arbeit setzen sich innerhalb ihrer Organisation für Integrität und Gesundheit schützende Arbeitsverhältnisse, für befriedigende Arbeitsbedingungen und für die stete Weiterentwicklung und Verbesserung der Qualität ihrer Organisation ein.
14.3
Die Professionellen der Sozialen Arbeit setzen sich auch mit ihren staatsbürgerlichen Mitteln für eine soziale, demokratische Gesellschaft ein, die für Solidarität und die Wahrung der Menschenrechte, für Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Menschen und gegen Diskriminierung einsteht.
Es ist Aufgabe von Führungspersonen dies ihren Mitarbeitenden zu ermöglichen.
Verantwortung in der Managementliteratur
Die Verantwortung von Führungspersonen in Bezug auf Arbeitsbedingungen wird auch in der Managementliteratur betont.
Fröse et al. (2019) halten fest, dass es die Aufgabe von Führungspersonen ist: «ein attraktives und förderliches Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Fachkräfte mit ihren Kompetenzen weiterentwickeln können» (S. 2).
Es ist die Aufgabe von Führungspersonen auch eine Mitarbeitendenperspektive einnehmen zu können, da Organisationen von der Arbeitszufriedenheit und dem Arbeitsklima abhängig sind (Bauer et al., 2010, S. 24). Grundlage, um Mitarbeitende in der Organisation zu halten sind «Vertrauen, Loyalität und eine adäquate Entlöhnung. Arbeitsbedingungen müssen Selbstständigkeit, Eigenverantwortung ermöglichen» (Bauer et al. 2010, S. 25).
Im Buch «Führung im Widerspruch» (2013) hält Michael Herzka fest, welche Verpflichtungen Führungskräfte Sozialer Organisationen haben. «Die internationalen und nationalen Berufskodizes fordern Fach- und Führungskräfte Sozialer Organisationen unmissverständlich dazu auf, sich mit ihrer Fachkompetenz aktiv an gerechtigkeitspolitischen Aushandlungsprozessen zu beteiligen. Aus dem gesellschaftlichen Auftrag und aus der konkreten Praxis ergibt sich eine anwaltschaftliche Verpflichtung, die professions- und unternehmensethisch begründet ist» (S. 125).
Um dieser Verpflichtung nachzukommen, müssen Führungspersonen über eine «außerordentlich hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion und Selbstreflexion verfügen. Gelingendes Managen einer Organisation, deren Ziel es gerade nicht ist, möglichst viel Gewinn zu erzielen, sondern deren Erfolge und Misserfolge auf sehr viele andere Weisen (oder häufig gar nicht) gemessen werden, ist letztlich eine Frage der Haltung oder Einstellung: Gefordert ist Bescheidenheit in der Führung und als Ausdruck dessen die Selbstverständlichkeit, sich selbst und die Tätigkeit der gesamten Organisation täglich aufs Neue kritisch zu hinterfragen» (S. 136).
Handlungsaufforderung für Führungspersonen
AvenirSocial fordert alle Führungspersonen in Organisationen der Sozialen Arbeit auf, ihre Verantwortung als Führungskräfte und als Fachpersonen zu übernehmen und ihre Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen wahrzunehmen.
Um die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit zu verbessern, «braucht es Einsatz auf allen Ebenen − Fachpersonen, Führungskräfte und politische Entscheidungsträger*innen sind gefordert, für zukunftsorientierte Bedingungen einzustehen» (Bockstaller, 2023, S. 24).
Auch im Diskussionspapier zur Finanzierung von Organisationen der Sozialen Arbeit (2021) fordert AvenirSocial die Stärkung der Organisationsmacht: «Leitungspersonen in sozialen Organisationen stehen bei der Ausarbeitung oder Erneuerung von Leistungsvereinbarungen in der Verantwortung. Eine starke Verhandlungsposition ist dabei entscheidend, um einen Zusammenarbeitsvertrag mit Rahmenbedingungen abzuschliessen, die eine hohe Qualität der Sozialen Arbeit garantieren. Daher stehen Leitungspersonen in der Verpflichtung, die eigene Organisationsmacht und somit die Verhandlungsposition zu stärken. Dabei können Themen zum Professionalisierungsgrad sowie der Aus- und Weiterbildung der Fachpersonen oder der Lohnstruktur einer Organisation aufgegriffen werden.»
Die beschriebenen Beispiele zeigen viele verschiedene Möglichkeiten, auf institutioneller Ebene für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen – auch mit kleinen Massnahmen. Allerdings sind auch diese Beispiele auf den Einsatz und das Engagement von Führungspersonen und Mitarbeitenden angewiesen. Die Mitarbeitenden sollen ihre Vorgesetzten auf diese Möglichkeiten aufmerksam machen und ihre Hilfe bei deren Umsetzung anbieten. Die Führungspersonen sollen ihre Position nutzen und die angestrebten Veränderungen gegenüber Geldgebenden einfordern und durchsetzen. Dabei soll das gemeinsame Ziel, Bedingungen zu schaffen, die qualitativ hochstehende Arbeit für und mit Adressat*innen ermöglicht, nie aus den Augen verloren werden.
Quellen
AvenirSocial (2010): Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Bern: AvenirSocial.
AvenirSocial (2019): Arbeitszeit, Ruhezeit und Entlöhnung bei Pikett- und Bereitschaftsdienst in der Sozialen Arbeit in der Schweiz. Zugriff am 20.04.2023 auf https://avenirsocial.ch/wp-content/uploads/2019/12/20191218_Broschuere_AvenirSocial_ArG-oder-nicht-ArG.pdf.
AvenirSocial (2021): Diskussionspapier zur Finanzierung von Organisationen im Bereich der Sozialen Arbeit in der Schweiz. Zugriff am 20.04.2023 auf https://avenirsocial.ch/wp-content/uploads/2021/09/2021_Diskussionspapier_Finanzierung_Organisationen_Soziale_Arbeit_DEF.pdf.
AvenirSocial (2023): Arbeitsrechtliche Grundlagen für die Soziale Arbeit in der Schweiz. Zugriff am 20.04.2023 auf https://avenirsocial.ch/wp-content/uploads/2023/01/Arbeitsrechtliche-Grundlagen_180123.pdf.
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Bauer, Elisabeth, Sander, Gudrun & Sabina von Arx (2010): Strategien wirksam umsetzen. Das Handbuch für Non-Profit-Organisationen, Zürich, Haupt.
Bockstaller, Tobias (2023): Schwierige Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit, Das Denknetz (13). Zugriff am 20.04.2023 auf https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2023/04/DN_Zeitung_013.pdf.
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Fröse, Marlies, Naake, Beate & Maik Arnold (2019): Führung und Organisationen, Wiesbaden, Springer VS.
Herzka, Michael (2013): Führung im Widerspruch, Wiesbaden, Springer VS.
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